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Für ein Lied und hundert Lieder

Für ein Lied und hundert Lieder

Titel: Für ein Lied und hundert Lieder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liao Yiwu
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ist er nichts anderes als ein Mistkäfer.«
    »Na und? Mistkäfer hat heute seine Fehler begangen, wenn Sie die Fesseln nicht abmachen, dann tötet mich doch.«
    »Pack dich, ab in die Zelle, morgen reden wir weiter.«
    »Solange die Fesseln dran sind, weigere ich mich.«
    »Dann tragen wir dich rein.«
    »Dann könnt ihr mich gleich beerdigen.«
    »Jetzt werd mal nicht unverschämt.«
    »Was soll ich mich angesichts des Todes noch groß schämen?«
    »Dann bleib halt hier und lass dir den Nachtwind um die Nase wehen, dann wirst du vernünftig, wir werden uns alle zur Ruhe begeben.«
    »Sie sind Wachhabender, es ist gegen das Gesetz, dass Sie schlafen.«
    »Der Hundesohn macht Schwierigkeiten!«, japste Regierung Yu und schwang die Faust, aber er konnte sich doch ein bitteres Lachen nicht verkneifen: »Schätze, du bist ein Schurke, aber kein durchschnittlicher Schurke.«
    »Ich bin kein Schurke, ich tausche meine Menschenwürde gegen ein Hundeleben.«
    »Also hast du die Würde eines Hundes, in Ordnung?«
     
    Ich kehrte triumphierend in die Zelle zurück, die Meute umringte mich und sah nach meinen Wunden, Wang Er schnalzte und hob den Daumen: »Konterrevolution, du hast den ganzen Knast in Aufruhr versetzt, hätte nicht gedacht, dass du hier noch den Selbstmörder gibst.«
    »Ich konnte nicht anders, ich wollte mich wirklich umbringen.«
    »Das glaube ich nicht«, grinste Wang Er widerlich, »deine Wunde ist genau in der Mitte der Stirn, dort ist der Schädel am härtesten, selbst wenn man mit aller Macht dagegenschlägt, entsteht da nur ein großes Loch, das nach ein paar Tagen vernarbt. Ihr Studierten versteht euch auf solche Auftritte, den ganzen Körper voll Blut und doch nichts Schlimmes abkriegen.«
    Wütend sprang ich hoch und fluchte: »Wenn das ein Auftritt war, dann lass ich mir von einem amerikanischen Teufel die Rosette pimpern.«
    Alle waren bester Dinge. Unser Räuber, der Große Drache, sagte: »So wie du da gegen die Wand gedonnert bist, kann man das acht-, zehnmal machen, unzählige Leute bei der Umerziehung durch Arbeit haben das schon gemacht.«
    »Wie muss man es denn machen?«
    »Man muss eine Stelle mit einer Kante suchen und dann mit der Schläfe dagegenschlagen«, belehrte mich der Große Drache, er kannte sich aus, »die Schläfe ist eine der schwächsten Stellen am ganzen Körper, wenn man da mit dem oberen Ende eines Stäbchens gegenstößt, dann dringt das ein, und dann noch ein bisschen machen, dann kommt Blut und Hirnflüssigkeit.«
    »Den Konterrevolution kann man als Doktoranden an der Gefängnisuniversität annehmen«, sagte der Außenminister Bai mit einer Geste, als bringe er einen Toast aus, »viel Geschrei und nichts dahinter, das Hirn schlägt an die richtige Stelle.«
    »Auf dass der erste Versuch gelinge!«, toasteten die anderen mir zu.
    Meine Augen sprühten vor Zorn, ich drehte mich auf der Stelle herum und suchte nach einem Ziel, auf das ich mich stürzen konnte, um mich umzubringen, als der gute Xie auf einmal »psst« machte und die Meute eine Weile den Mund hielt und es totenstill wurde. Der Wachsoldat ging wie ein Gespenst seines Wegs. Die Müdigkeit ließ den Zorn gefrieren, und es folgte ein Schmerz und eine Trauer, die tiefer an meinem Herzen nagte als der Schlaf.
     
    In dem Augenblick, in dem ich das schreibe, ist es 2:21 Uhr in der Früh. Das Telefon klingelt, und ich gerate in Panik. Ich stehe auf und stürze ins Wohnzimmer, ich greife in der Dunkelheit zum Hörer, aber am anderen Ende, ein paar hundert Kilometer entfernt, ist ein Dichter, der sich das Leben nehmen will.
    »Ich habe es satt«, sagt er.
    »Machst du Witze?«, ich weiß nicht, ob ich ihm glauben soll, »muss man gleich sterben, wenn man es satt hat? Dann wäre ich ja schon ein paar Dutzend Mal gestorben.«
    »Das ist dein Spiel«, sagte der Freund, »ich kann das nicht.«
    »…«
    »Da wir uns einmal gekannt haben, sage ich dir Lebewohl.«
    Schweißgebadet hielt ich den Hörer in der Hand und wartete, dass am anderen Ende aufgelegt würde, dann wählte ich eine andere Nummer, wie ein kaltblütiger Mörder, der sich seiner Sache sehr sicher ist. Der Selbstmord wurde innerhalb der nächsten halben Stunde verhindert. Der Freund hatte sich schon die Handgelenke aufgeschnitten, und Blut floss auf sein Testament und bildete auf dem Boden eine Lache.
    Am nächsten Tag habe ich mich auf die Socken gemacht und nach dem Rechten gesehen, der Freund lag schon, die Handgelenke nach oben gebunden, zu Hause.

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