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Für ein Lied und hundert Lieder

Für ein Lied und hundert Lieder

Titel: Für ein Lied und hundert Lieder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liao Yiwu
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Schwarzmarkt schlagen« bezeichnete. Das hieß, einer saß im Schneidersitz und mit verbundenen Augen vorne, die Meute staute sich hinter ihm und wetteiferte mit schwingenden Fäusten darin, dem mit den verbundenen Augen auf den Kopf zu schlagen, wobei der vorne raten musste, wer ihn getroffen hatte. Wenn er richtig geraten hatte, wurde gewechselt, wenn nicht, gingen die Prügel weiter. Wegen des Hungers waren wir von unserer körperlichen Konstitution her alle sehr geschwächt, und bei dieser »Unterhaltung« wurde über die Hälfte von uns dumm und bewusstlos geschlagen.
    Es gab einen Neuen, der sich selbst als Verwalter der Axt-Bande, einer Mafia-Organisation aus Jiangbei, einer Stadt in Sichuan, bezeichnete. Er war gerade eine Woche da, als seine Anklageschrift kam, er war ein Vergewaltiger und Mörder und hatte seine Leichen zerstückelt. Wang Er war außer sich und ließ ihn kopfüber in die Abtrittsgrube stecken, damit er die frische Scheiße abschmeckte.
    »He, Verwalter«, sagte Wang Er mit einem widerwärtigen Lachen, »wenn du genug Scheiße gefressen hast, dann verdien dir deinen Lebensunterhalt!«
    Der Verwalter griff hastig nach den Papiertüten.
    »Das meine ich nicht, schlag an der Wand Feuer.«
    Ein in Stanniolpapier und Baumwolle gewickelter silberner kleiner Stock wurde herübergesteckt, der Verwalter stieg einem Kerl mit runden Hüften auf die Schultern hoch zu der Fernsehsteckdose in zwei Mann Höhe.
    »Man braucht ein gutes Auge und flinke Hände«, befahl Wang Er mit dem Kopf im Nacken, »wenn der Stanniolstab mit dem Strom in Berührung kommt, zieh ihn raus, sonst –«, er hatte noch nicht zu Ende gesprochen, als oben mit einem Knall ein heftiges Feuer heraussprühte und der Fernseher ausging. Dem Verwalter schlotterten die Knie, sein Körper platschte wie Wasser herunter. Als der alte Bai sah, was los war, stürzte er heran, um seinen Zunder zu retten, während Wang Er sich aus dem Chaos aufrichtete und brüllend Meldung machte: »Befreiungssoldat, unser Fernseher ist hinüber!«
    Der Wachsoldat antwortete aus der Dunkelheit: »Das ist im ganzen Haus so, schlaft, ist vielleicht ein Kurzschluss.«
    »Und wieso ist dann das Licht nicht aus?«, tat Wang Er verwirrt.
    »Das Licht aus? Du Stinksack willst wohl abhauen?«
    Die Meute entspannte sich und hatte insgeheim ihren Spaß. Aber erst als der Wachhabende mit seiner Runde vorbei war, fingen sie schön der Reihe nach an, sich unter der Decke mit dem Zunder ihre Zigaretten anzuzünden. Die rechte Handfläche des Verwalters war vom Strom schwarz verbrannt, Wang Er schnappte ihn sich und schaute sich das Ganze genau an und schlug vor, er solle sich auf die Hand pinkeln, dann werde in ein paar Tagen die Haut abgehen.
    »Es tut weh«, stöhnte der Verwalter.
    »Esel, tut es mehr weh als Kinderchen kriegen?«, schimpfte Wang Er, »ich habe schon zigmal auf diesem Weg Feuer geholt, es hat nicht viel gefehlt und bei dir hier wäre alles in Stücke gegangen.«
    Wang Ers versammelte Schweinereien erregten den Unwillen des guten Xie, und ausgerechnet jetzt wurde ein Konterrevolutionär von Zelle 9 zu uns verlegt. Er hieß Ji Hua und hatte sich schon mit Xie und Wan Xia eine Zelle geteilt, weshalb wir natürlich Verbündete waren. Wir drei steckten auf dem Innenhof die Köpfe zusammen, ich war gegen jede Aktion, aber der gute Xie bestand darauf, bei dem Zuständigen Meldung zu machen.
    »Das ist nutzlos«, sagte ich, »Tang ist ein Säufer, der ist so gut wie nie nüchtern, aber er kann mit Wang Er besser umgehen als du.«
    Ji Hua stimmte zu: »Wenn es zum Äußersten kommt, muss man Widerstand leisten, sie werden ihn zum Tode verurteilen.«
     
    Der Frühlingsregen wollte nicht aufhören, die Gesichtshaut der Gefangenen wurde dunkel. Jeden Morgen, wenn ich aufstand, knackten meine Knochen eine halbe Ewigkeit. Der gute Xie hörte immer noch nicht auf meine Ermahnungen und geriet zweimal öffentlich mit Wang Er aneinander, in der Regel wegen irgendeiner Schlägerei. Diese aggressive Atmosphäre führte dazu, dass es in der Zelle noch hitziger zuging, und wenn die Leute schwitzten, fingen auch die Wände an zu schwitzen. Es hatte bereits ein gutes Dutzend Mal hintereinander gedonnert, aber geregnet hatte es immer noch nicht. Jedes Mal war es in der Zelle nachtdunkel geworden, die Gefangenen leuchteten wie Totengespenster. Wenn die Neonlichter mit ihrem grellen Licht angingen, war es, als stünden wir auf einer Bühne.
    »Morgens und abends immer dieselbe

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