Für ein Lied und hundert Lieder
war.«
»Wie ein Mönch«, freute sich der Friseur und legte das Messer weg.
»Ich bin verheiratet«, stellte ich schnell richtig.
»Wie ein Knastbruder.«
»Red’ keinen Unsinn!«, protestierte meine Mutter.
»Wie eine Glühbirne!«
»Na, das kommt hin.« Mutters Ärger verschwand hinter einem Lachen, und alles war eitel Freude.
Ich hockte ein paar Tage zu Hause herum, fand nachts keinen Schlaf und wälzte mich geräuschvoll im Bett herum. Am nächsten Morgen in aller Herrgottsfrühe schob sich meine Mutter in mein Schlafzimmer, legte mir ihre kühle Hand auf die Stirn und fühlte: »Kein Fieber!«, grummelte sie.
»Ich will schlafen!«, brüllte ich mit weit aufgerissenen Augen.
»Wie kannst du schlafen, wenn du hier so rumbrüllst? Sag deiner Mama, was du gestern Abend gemacht hast, du verrückter Junge!«
»Eine Lesung.«
»Verdammte Lesungen«, sie lachte verstohlen, »bist du denn nicht glücklich? Hast du es in Fuling so lange unterdrückt und kommst jetzt nach Hause und machst Radau?«
»Kein schlechter Gedanke.«
»Fühlst du dich besser, wenn du herumbrüllst?«
»Das kommt hin.«
»Du hast das Tonbandgerät deiner Mutter mitgenommen, mach die Tür zu und brüll so lange, wie du es brauchst. Aber«, schärfte sie mir ein, »am besten steckst du den Kopf unter die Decke, dann kannst du schreien, was du willst, draußen wird dich keiner hören.«
Ich dämmerte weg, wälzte mich dann wieder im Bett herum und bereitete mich darauf vor, in ein wildes Tier verwandelt zu werden, als plötzlich vor der Tür wilde Schreie explodierten: »Feuer! Feuer!«
Ich spähte aus dem Zimmer, dicke Rauchschwaden und ein loderndes Feuer hatten die Familie Chen von nebenan eingeschlossen. Die verehrten Nachbarn organisierten in aller Eile eine Kette und schafften Wasser heran, ich selbst brach die Tür auf und bin als Erster hinein. In dem Nebel erblickte ich den Hausherrn, den alten Chen, der wie eine übertriebene Rauchwurst in dem stockdunklen Schlafzimmer wie tot quer unter dem Bett lag.
Der Brandstifter war der verrückte Yinwa. Er hatte vor ein paar Jahren bei sich zu Hause ein Mädchen geküsst, was von seinem alten Herrn, der dazwischenging, missbilligt wurde. Er nahm sich das so zu Herzen, dass er darüber den Verstand verlor. Seither herrschte zwischen Vater und Sohn Todfeindschaft.
Yinwa dachte gern an seine Kindheit, wenn er auf dem lieben Herrn Papa saß und seine Notdurft verrichtete, auf dessen müden Rippen wie auf einem Waschbrett hoch- und niederrutschte; wenn man sich das noch gefallen lassen konnte, war es schier nicht mehr auszuhalten, wenn er mit ihm spielen kam, ihn umarmte und ihn küssen wollte, den Kopf seines Vaters dabei, ohne dass es ihm bewusst wurde, mit beiden Klauen so zusammenpresste, dass dem das Weiße der Augen vor den Kopf trat.
Als Yinwa in die Nervenheilanstalt kam, hat er sich sofort wieder ordentlich benommen. Als er die Anstalt verließ, war er so weit gebändigt, dass er sich ausgesprochen liebenswürdig verhielt, oft hat er zusammen mit anderen kleinen Hosenscheißern im Restaurant gegessen, eine Schale Reis, ein Tellerchen mit gekochten Erdnüssen und dann langten vier, fünf Mäuler zu, schlürften ihre Suppe und kauten auf den Erdnüssen herum – aber sobald er seinen Vater zu Gesicht bekam, verfinsterte sich seine Miene. Als man dem erzählte, dem armen Narren fehle nur eine Frau, dann käme alles in Ordnung, scheute der alte Chen weder Kosten noch Mühen, um für seinen Sohn auf dem Land eine Hochzeit arrangieren zu lassen. Die Nachbarn auf beiden Seiten waren sich einig, man wollte ihn mit vereinten Kräften ein bisschen auf die Schippe nehmen und blies einen Jungen zu einem leibhaftigen Lei Feng auf. Doch keiner hatte damit gerechnet, dass Yinwa am Vorabend seiner Hochzeit auf seine alte Marotte verfiel – nur dass er diesmal nicht seinem alten Herrn das Weiße der Augen vor den Kopf drückte, sondern seiner Braut. Die kam sich vor, als sei sie unter die Raubtiere gefallen.
Das traurige Schicksal des armen Irren war eigentlich von Anfang an besiegelt gewesen. Wer hätte auch ahnen sollen, dass er seinem Vater einen Ölofen unter das Bett packen, ihn anzünden und dann die Tür verschließen würde, um sich dann mit der Miene eines Meisterkochs zu entfernen.
Alles kümmerte sich um die Rettung des alten Chen, andere griffen sich schließlich bei Einbruch der Dunkelheit Yinwa in der Nähe des Ximen-Bahnhofs. Er war auf Schürzenjagd, wobei er an
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