Für eine Nacht
hätten deine Worte sein können.« Sie legte ihren Arm vor die Brust. »Und es hat sich nichts geändert, außer dass ich dem Tod ins Auge geschaut habe. Genau wie die plötzliche Krankheit deiner Mutter hat das deinen Beschützerinstinkt geweckt. Aber keine Angst, das vergeht«, fügte sie für seinen Geschmack ein wenig zu obenhin hinzu.
»Wieso bist du eigentlich so überzeugt davon, meine Gefühle besser zu kennen als ich selbst?«
»Weil ich dich kenne.«
Er beugte sich über sie und stützte beide Hände auf das Kissen in ihrem Rücken. Er war ihr so nahe, dass er das Gesicht in ihrem Haar hätte vergraben können, aber er hielt sich zurück. »Ich kenne mich auch, und ich weiß, dass ich mich verändert habe.«
»Nur vorübergehend«, beharrte sie, dabei schob sie entschlossen die Unterlippe vor.
»Nichts ist hier vorübergehend .« Aus einem Impuls heraus presste Chase seine Lippen auf die ihren, fest entschlossen, jegliche Gegenwehr im Keim zu ersticken, und begann ihren Mund mit der Zunge zu erforschen. Er brauchte den intimen
Kontakt, das Wissen, dass sie lebte, dass er sie nicht verloren hatte, sie nie verlieren würde. Und er wollte ihr mit diesem Kuss beweisen, dass sie keinen Grund hatte, an der Aufrichtigkeit seiner Gefühle zu zweifeln. Dass sie beide füreinander bestimmt waren.
Endlich gab er sie widerwillig frei. »Spürst du denn nicht, dass wir zusammengehören, Honey?« Er lehnte die Stirn gegen die ihre.
»Nur solange du dich mir verpflichtet fühlst. Und ich möchte nicht, dass du dich mit einer Frau belastest, die du nicht verlassen kannst, weil dein Stolz es dir verbietet.« Sie holte tief Atem, dann sprach sie die drei Worte aus, die sein Untergang waren. »Leb wohl, Chase.«
Mit den mechanischen Bewegungen eines Roboters verließ Chase Sloanes Zimmer. Verschwand aus ihrem Leben. Es war nicht für immer, redete er sich ein, war aber selbst nicht überzeugt davon, weil er im Moment keine Ahnung hatte, wie er sie zurückgewinnen oder die Zweifel ausräumen sollte, die er selbst so erfolgreich in ihrem Herzen gesät hatte.
All diese Gedanken marterten ihn immer noch, als er zum ersten Mal in dieser Woche die Redaktion der Gazette betrat. Er ignorierte die neugierigen Blicke seiner Angestellten, wich Lucy aus, ehe sie ihn in die Mangel nehmen konnte, und verschanzte sich in seinem Büro. Das Telefon klingelte unaufhörlich, aber er nahm keinen Anruf entgegen. Er war so in Gedanken versunken, dass er noch nicht einmal hörte, wie jemand seinen Namen nannte. Erst als Madeline Carlisle mit ihren sorgfältig manikürten Fingernägeln auf seinem Schreibtisch herumtrommelte, blickte er auf.
»Wir müssen miteinander reden, Mr. Chandler«, sagte sie
in dem bestimmten Ton, den sie zweifellos ihrem Mann und ihren Kindern gegenüber erfolgreich anschlug.
Chase verspürte wenig Lust, nach ihrer Pfeife zu tanzen. »Sollten Sie nicht bei Sloane im Krankenhaus sein?«
»Sie nehmen kein Blatt vor den Mund und verschwenden auch keine Zeit mit Höflichkeitsfloskeln. Respekt, junger Mann.« Madeline lachte. Offenbar nahm sie ihm seine Unverblümtheit nicht übel.
Augenblicklich bereute er, seiner schlechten Laune nachgegeben zu haben und so barsch mit Sloanes Mutter umgesprungen zu sein. »Entschuldigen Sie meinen Mangel an Manieren.« Er erhob sich. »Bitte nehmen Sie doch Platz.« Dabei deutete er auf die im Raum verstreuten Stühle.
Madeline winkte ab. »Nein, danke. Ich habe auf der Fahrt hierher stundenlang im Auto sitzen müssen, da bin ich froh, wenn ich mal eine Weile stehen kann.«
»Möchten Sie etwas trinken?« Chase nickte zu dem alten Kühlschrank und der Bar hinüber, die noch von seinem Vater stammte.
»Auch nicht, danke.« Sie umklammerte den Riemen ihrer Handtasche und sah ihn an. »Wir haben etwas Geschäftliches zu besprechen.«
Chase schluckte hart. Wenn sie ihm wegen Sloane Vorhaltungen machen wollte, hätte sie keinen ungünstigeren Zeitpunkt wählen können. Er sah noch immer ihre schmerzerfüllten Augen vor sich und spürte jenen letzten Kuss auf seinen Lippen.
Und falls sie der Meinung war, er habe seinen Teil der Abmachung, Sloane zu beschützen, nicht erfüllt, rannte sie bei ihm damit ebenfalls offene Türen ein. Er hatte sich selbst schon genug Vorwürfe gemacht.
Er stand auf und ging in seinem Büro auf und ab, weil er
das Gespräch so schnell wie möglich hinter sich bringen wollte. »Was kann ich für Sie tun?«
»Erst einmal möchte ich Ihnen dafür
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