Für eine Nacht
denn ... »Wer will das wissen? Chase, der Journalist, oder Chase, der Mann?«
Ein Muskel an seinem Kinn zuckte, und er fuhr sich frustriert durchs Haar. »Das war deutlich«, murmelte er.
Entweder wusste er nicht, was er darauf antworten sollte, oder er mochte nicht zugeben, dass der Reporter in ihm nach Antworten lechzte, die seine Karriere voranbringen konnten. Wider besseres Wissen verspürte sie eine leichte Enttäuschung.
»Rick hat einen Bekannten gebeten, dein Auto herzubringen. Dein Koffer steht unten im Büro. Was hältst du davon,
wenn du erst einmal duschst und dich umziehst? Wir können unser Gespräch später fortsetzen.«
Da sie nach Rauch stank und sich elend und zerschlagen fühlte, stimmte sie dankbar zu. »Eine heiße Dusche wäre jetzt wunderbar.« Und was die Fortsetzung ihres Gesprächs anging – nun, sie hatte weiß Gott nicht die Zeit für einen kleinen Informationsaustausch.
Norman und Izzy hatten eine Billardkneipe namens Crazy Eights erwähnt, wo Samson zu finden sein sollte, wenn er Geld in der Tasche hatte. Auch Izzys Warnung hatte sie nicht vergessen, und obwohl sie vor der ersten Begegnung mit ihrem leiblichen Vater mehr Angst hatte als vor den finsteren Typen, die in dieser Kaschemme vielleicht herumlungerten, musste sie Samson unbedingt so schnell wie möglich ausfindig machen.
Das Geräusch von Schritten riss sie aus ihren Gedanken. Chase kam mit ihrem Koffer in der Hand ins Zimmer. In seinem Blick lag eine Wärme, die ihren Puls rasen und ihr Herz schneller schlagen ließ. Zum Glück verhärtete sich sein Gesicht sofort wieder zu einer undurchdringlichen Maske, sonst hätte sie sich womöglich zu einer Dummheit hinreißen lassen. Wie ihn zu küssen zum Beispiel.
Sowie sie geduscht und einen Happen gegessen hatte, würde sie hier verschwinden und sich auf die Suche nach ihrem Vater machen. Ohne die Hilfe dieses Reporters und ohne seine neugierigen Blicke im Nacken.
In Yorkshire Falls konnte ein allein stehender Mann entweder bei Norman’s essen, sich von dort etwas mitnehmen oder kochen lernen. Chase nahm sich seine Mahlzeiten meistens mit. Jetzt öffnete er seinen Gefrierschrank und suchte nach
etwas, was er rasch auftauen und seinem Gast vorsetzen konnte. Nichts sah sonderlich appetitlich aus.
Er fuhr sich mit der Hand durch sein rußverklebtes Haar. Er brauchte dringend eine Dusche, musste aber warten, bis er an der Reihe war. Von seinem Platz in der Küche aus konnte er im Bad das Wasser laufen hören. Oder vielleicht bildete er sich auch nur ein, Sloane im Bad rumoren zu hören. Er stellte sich vor, wie das heiße Wasser über ihre weiche Haut rann. Nur die Diele und eine Tür trennten sie. Der Gedanke trieb ihn beinahe zum Wahnsinn.
Genau wie die Art, wie sie ihre gemeinsame Nacht als bloßen One-Night-Stand abgetan hatte. Mehr hatte er ihr also nicht bedeutet. Er hätte zwar nie damit gerechnet, sie je wiederzusehen, geschweige denn in ihr Leben verwickelt zu werden, aber ihre Worte hatten ihn trotzdem tief getroffen. Wenn er ehrlich sein wollte, musste er zugeben, dass sie weit mehr als nur seinen Stolz und sein männliches Ego verletzt hatte. Er erkannte, dass seine Gefühle für sie über eine bloße Bettgeschichte hinausgingen – viel zu weit für seinen Seelenfrieden. Derartige Gefühle durfte er sich nicht erlauben, sie konnten ihn daran hindern, sein Ziel zu erreichen – eine Story zu schreiben, welche die Aufmerksamkeit der großen Blätter auf ihn lenken und ihm Ruhm und Geld einbringen würde. Eine Enthüllungsstory über den Vizepräsidentschaftskandidaten Michael Carlisle.
Chase konnte die Story förmlich riechen. Und der Umstand, dass Sloane einen Unterschied zwischen Chase, dem Mann, und Chase, dem Reporter machte, verriet ihm, dass er vielleicht schon viel näher dran war, als er dachte. Aber woran? Was hatte sie zu verbergen?
Er bezweifelte, dass er aus Sloane viel herausbekommen würde. Hoffentlich war Madeline Carlisle auskunftsfreudiger,
wenn sie erfuhr, dass er seinen Teil ihrer Abmachung erfüllt hatte. Er hatte den Hintern ihrer Tochter gerettet. Einen ausgesprochen hübschen Hintern noch dazu – rund und knackig in den engen, ausgeblichenen Jeans ...
Chase biss die Zähne zusammen und schlug die Tür des Gefrierschranks zu, in dem er nichts Genießbares hatte entdecken können. Am besten rief er Izzy an und ließ sich etwas ins Haus liefern.
Im selben Moment, in dem er zum Telefonhörer griff, klingelte es an der Tür.
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