Für eine Nacht
Nachttisch hinweg zu ihr. »Ein Grund mehr für mich, hier zu bleiben.«
»Chase hat Recht«, presste Sloane zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Sie wollte nichts von ihm, was er ihr nicht freiwillig gab. »Er hat ja doch keine ruhige Minute, bis er nicht mit den Ärzten gesprochen hat, und ich kann ihm deswegen keinen Vorwurf machen. Ich werde jetzt erst einmal auf den Spuren meiner Familie wandeln, dann versuchen, den Hund bei Dr. Sterling abzuholen, und dann zu Chases Haus zurückfahren. Vielleicht habe ich Glück, und Earl ruft an oder es ergibt sich sonst ein Hinweis auf Samsons Aufenthaltsort. Ich möchte die Angelegenheit hier so schnell wie möglich regeln und dann wieder nach Washington zurückkehren; ich bin euch allen hier lange genug zur Last gefallen.«
»Unsinn.« Raina winkte ab. »Du fällst niemandem zur Last. Aber wenn du auf irgendwelche Spuren von Samson stößt, dann ruf bitte Chase sofort an – entweder hier oder bei mir zu Hause«, fügte sie dann in ihrem unerbittlichen Tonfall hinzu.
»So ungern ich es auch sage, aber meine Mutter hat ausnahmsweise einmal Recht. Wenn sich irgendetwas Neues ergibt, ruf unbedingt an. Wer auch immer hinter Samson her ist, er fackelt nicht lange.« Tiefe Besorgnis schimmerte in Chases Augen, gepaart mit einem Anflug von Verlangen, den er nicht unterdrücken konnte.
Aber bloßes Verlangen war nicht genug; nicht, wenn er sich nicht dazu bekannte und sich dementsprechend verhielt. »Keine Sorge«, erwiderte Sloane leichthin. »Ich kann ganz
gut auf mich selbst aufpassen. Ich bin dir und deiner Familie sehr dankbar für alles, was ihr für mich getan habt, aber jetzt muss ich mein Leben endlich in meine eigenen Hände nehmen. Ihr habt ja im Moment genug eigene Probleme am Hals.«
Sie nahm alle ihr noch verbliebene Kraft zusammen und verließ das Zimmer, als ob ihr der Mann hinter ihr nicht das Geringste bedeuten würde. Ihr blieb nichts anderes übrig, als sich damit abzufinden, dass sie, bis er sich zu einer Entscheidung durchgerungen hatte, wieder auf sich allein gestellt sein würde. Wie schon so oft in ihrem Leben. Nur dass ihr das früher nicht so viel ausgemacht hatte. Aber seit Chase so unverhofft in dieses Leben getreten war, wusste sie, dass sie sich nach der Trennung noch einsamer fühlen würde als jemals zuvor.
Dreizehntes Kapitel
Sloanes Zuversicht schwand in dem Moment, in dem sie vor dem einstigen Elternhaus ihrer Mutter vorfuhr. Als sie aus dem Auto stieg, spürte sie, wie ihre Knie weich wurden und sie zu zittern begann. Sie hätte alles darum gegeben, Chase an ihrer Seite zu haben, aber er wurde anderswo gebraucht, und sie missgönnte ihm die Zeit mit seiner Familie nicht. War sie nicht hier, um mehr über ihre eigene Familie in Erfahrung zu bringen? Allerdings musste sie zugeben, dass sie sich ein wenig vor dem fürchtete, was sie hier vielleicht herausfinden würde.
Eine kühle Brise kam auf. Sie schlang ihre Jeansjacke enger um sich und betrachtete das Haus voller Interesse. Es war im Kolonialstil erbaut und wirkte ordentlich und gepflegt. Kinder spielten im Hinterhof, und auf der Veranda wehte eine amerikanische Flagge.
Da sie die Kleinen nicht erschrecken wollte, vermied sie es, um das Haus herumzugehen, sondern klopfte an die Vordertür, um um Erlaubnis zu bitten, das Grundstück betreten zu dürfen.
Eine Frau mit Kurzhaarschnitt, lackierten Fingernägeln und einem freundlichen Lächeln öffnete ihr. »Kann ich Ihnen helfen?« Sie wischte sich die Hände an ihren Jeans ab und lehnte sich gegen den Türrahmen.
Sloane wusste nicht recht, wo sie beginnen sollte. »Es klingt vielleicht merkwürdig, aber meine Mutter ist in diesem Haus aufgewachsen, und ... nun ja, ich wollte fragen, ob ich mich hier ein bisschen umsehen kann.«
Das Lächeln der Frau wurde breiter. »Warum nicht?« Sie öffnete die Tür weiter. »Kommen Sie herein.« Sie trat einen Schritt zurück und ließ Sloane eintreten. »Ich bin Grace McKeever.«
»Sloane Carlisle«, stellte sie sich vor. Mit der Wahrheit fuhr sie vermutlich am besten. Mit einem Blick erfasste sie die geblümte Tapete, den dunklen Holzfußboden und die alten Möbel. Es kam ihr so vor, als wäre das Haus erst kürzlich renoviert und neu eingerichtet worden und hätte sich sehr verändert, seit ihre Mutter hier gelebt hatte. »Wie lange wohnen Sie denn schon hier?«, fragte sie Grace.
»Seit ungefähr acht Jahren. Soweit ich weiß, hat dieses Haus häufig den Besitzer gewechselt.«
Weitere Kostenlose Bücher