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Fuer Elise

Fuer Elise

Titel: Fuer Elise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Melchior
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legte den Kopf in den Nacken und lachte.
    Elise verdrängte die Erinnerung an den Tag vor sechs Monaten. Sie war am Morgen beim Grab ihres Vaters gewesen und der Besuch hatte sie so mitgenommen, dass ihr Einkauf ohne Cassy in einer Blamage geendet hätte. Sie hatte sie zur Seite genommen, ihr einen Tee angeboten und sie mit ihrer Art in kurzer Zeit zu viel und zu laut zu sprechen von ihrer Trauer abgelenkt. Dankbar und völlig neben sich hatte Elise ihr sogar ihre Handynummer gegeben. Seitdem hatte sie den Friedhof nie mehr betreten und war in alter Brennan-Manier allen Versuchen Cassys, sie kennenzulernen ausgewichen.
"Arbeitest du noch dort?" fragte Elise, weil sie nichts anderes zu sagen wusste.
    "Dort," Cassy Zeigefinger zeigte nach draußen "und hier", ihr Zeigefinger wippte in Richtung Boden, "Und bald auch noch im Naofa, damit mir die Abende nicht zu lang werden." 
    "Naofa?" Elise versuchte ihre Nervosität zu verbergen. Sie nahm an, dass sie auf dem Hocker saß, als hätte sie einen Besenstiehl verschluckt.
"Irgend so ein süßer Typ hat einen alten Pub übernommen." erzählte Cassy.
    " Er heißt Gabi. Kannst du dir das vorstellen? Bescheuerter Name für einen Mann, was?" Cassy lachte laut. "Stell dir vor, er hat das ganze Personal ausgetauscht! Die alten Bedienungen waren ihm zu…, wie hat er sich gleich ausgedrückt… " sie suchte nach einem Wort. "Frevlerisch! Hast du das schon mal gehört?" Sie grinste. "Jedenfalls fand ich seine Zustimmung - als ob ich nicht die Sünde in Person wäre..." Sie winkte ab und drehte sich um, sprach aber dennoch weiter. "Ich bin nun Mal eine Vollwaise und im Heim schaut niemand danach, ob du deine Vokabeln lernst. Was soll ich sagen… mit drei Jobs kommt man über die Runden."
    Elise horchte auf.
    "Du hast … keine Familie?"
    "Nicht mal einen Hund, Süße." antwortete Cassy, während sie eine Unmenge Gebäckstücke in ein Körbchen lud. Der Kaffeeautomat brummte den ersten Kaffee in einen Becher.
    "Dann geht es uns ähnlich." erwiderte Elise.
    Cassy seufzte, aber ihr Gesicht strahlte.
    "Ich finde es schön, dass wir uns endlich richtig kennenlernen. Wie ist das eigentlich mit deinem Arm passiert?"
    Elise hörte auf sich über die Themen zu wundern, die Cassy wahllos aneinanderreihte. Selbst die Frage nach dem Arm, fühlte sich aus Cassys losem Mundwerk angenehm unverbindlich an.
    Sie umfasste ihr Handgelenk und hielt die schlaffe Hand, über die Tischkante.
    Cassy warf einen desinteressierten Blick darauf, wandte sich ab, um den gefüllten Becher unter dem Auslauf hervorzuholen und den zweiten darunter zu stellen.
    "Angeborene Behinderung." erklärte Elise und steuerte mit den Gedanken die Hand an, wie sie da s ab und zu sinnloserweise tat und da passierte es.
    Ihr kleiner Finger zuckte.
    Fassungslos starrte sie auf ihre Hand und drohte rücklings vom Hocker zu kippen. Cassy knallte ihren Kaffeebecher hin und schoss um die Theke.
"Ich kann den kleinen Finger bewegen." hauchte Elise.
    "Seit wann?" rief Cassy.
    "Seit eben."
    "Versuch es nochmal."
    Der kleine Finger hüpfte erneut. Sie konnte ein Lächeln nicht unterdrücken, war sich aber einer Sache bewusst: das war medizinisch unmöglich! Ein anderer Blitzgedanke ließ sich ebenso wenig unterdrücken… die schemenhafte Gestalt in der Dunkelheit der Höhle… der Schmerz…
Cassy stieß einen hohen Ton aus, der Elise ihrer Gedanken beraubte. Sie zeigte mit einem gelackten Fingernagel auf ihre Hand.
    "Lass das von Deinem Physiotherapeuten untersuchen. Es gibt diese Geschichten, in denen Leute nach Jahrzehnten aus dem Koma erwachen. Wieso sollte das nicht mit einem Arm passieren?"
    Cassy verschwand hinter der Theke, um den zweiten Kaffeebecher zu holen. Elise war froh darüber, dass sie das Thema fallen ließ. Aber sie hatte die größten Probleme sich selbst zu fangen. Als hätte sie nicht genug damit zu tun, diesen Smalltalk zu überleben, hörte sie sämtliche Ärzte ihrer Kindheit gleichzeitig in ihrem Kopf auf sie einreden. Von nicht vorhanden Nervenbahnen, von angeborenen Lähmungen und irreparabler Behinderung. Ihr Arm war seit sie denken konnte ein totes Anhängsel ihrer linken Körperhälfte und Totes war nicht lebendig zu machen; jedenfalls nicht ohne göttliche Hilfe oder ein Wunder…
    Elise nippte an ihrem Kaffee, der mittlerweile vor ihr stand und nahm sich ein Hörnchen aus dem Brotkorb. Wie sollte sie jetzt noch einen Bissen hinter würgen, ohne sich zu übergeben?
    "Verrat' mir, wo du wohnst." riss

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