Fuer Elise
nicht klar, wer am Ende gewinnt und unter Umständen reißt mich das mit ins Verderben."
Sie versuchte in Cassys Blick zu lesen, was sie dachte.
"Soll heißen: du weißt nicht, ob du noch lange lebst?" fragte sie.
Elises Herz sackte ein Stockwerk tiefer. Hoffnungsvoll dachte sie an ihre Handtasche, die draußen im Auto lag und eventuell Vampire töten konnte.
Dann sah sie Cassy in die Augen und blieb stumm, in der Hoffnung, es würde ihrer neuen Freundin als Antwort genügen.
Vorboten
"Eigentlich seid ihr viel zu fett." sagte Elise und kippte den Ratten eine neue Ladung Futter in die Käfige. Als sie sich umdrehte, fiel ihr Blick auf die Höhlentür und aus einem trotzigen Impuls heraus, trat sie darauf zu.
Der Schlüssel steckte.
Mit einem Ruck zog sie ihn heraus und drehte ihn im Licht. Ihr Herz tat seine Schläge so leise, dass sie kaum spürbar waren. Alles war normal. Sie biss sich auf die Unterlippe, steckte den Schlüssel ins Schloss, drehte ihn und öffnete die Tür.
"Hallo?" rief sie und ihre Stimme hallte an der Steinwand wieder. Sie kam sich dämlich vor, glaubte aber die Treppe heute besser erkennen zu können.
Dabei war eine Änderung der Lichtverhältnisse schlicht unmöglich.
Prüfend schaute Elise an den Felswänden empor. Es war nur ein Gang mit einer Treppe, die kurz vor ihr in einer Kurve verschwand. An der Decke, ein Stück entfernt, hing eine Fledermaus und schlief.
Elise fand die Tiere nur ekelhaft, wenn sie sich bewegten. Wie querschnittsgelähmte Eidechsen sahen sie dann aus, die sich mit ihren Krallen am Ende der schwarzen Flughäute über den Boden vorwärts zogen. Sie erinnerte sich daran, dass die einzigen Werkzeuge in ihren Mäulern messerscharfe Eckzähne waren. Auch ihre Organe hatten sich vollständig auf die flüssige Nahrung umgestellt: Blut.
Leise, als wolle sie das Tier nicht wecken, schloss sie die Tür.
Erst als ihr Handy klingelte, wurde ihr klar, wie angespannt sie tatsächlich gewesen war. Sie zuckte zusammen und drehte den Schlüssel noch schnell im Schloss, bevor sie nach ihrem Handy griff.
"Micha?" fragte sie in die Muschel.
"Wo bist du?"
Er klang nicht gut aufgelegt.
"Du kannst wohl hellsehen?"
"Und du hältst dich nicht an unsere Absprache."
In seiner Stimme lag kalte Strenge.
Sie hatte nicht vor, das Gespräch vom Vortag zu wiederholen. "Ich bereite unsere Recherchen vor, an denen du wohl nicht mehr teilnimmst. Wie läuft dein Studium?"
Micha ging nicht auf den Vorwurf ein.
"Mir gefällt das nicht." sagte er. "Du sitzt schon wieder allein in diesem Kellerloch. Ich habe versprochen zu kommen und das werde ich. Bis dahin entspannst du dich bei einer Tasse Kaffee am See. Das Wetter ist herrlich. Es hat 20 Grad!"
Elise brachte nur murmelnde Zustimmung heraus. Ein Text unter der Abbildung eines Gemäldes war ihr ins Auge gefallen.
" Vampire leiden unter Langmut und Einsamkeit. Sie sehnen sich nach Gesellschaft. Mit dem Vampirkuss versucht der Kainit seine Menschlichkeit zurückzugewinnen. Doch nach der Verwandlung, geht das Begehren verloren. Ein Untoter wurde geschaffen, der weder seinen Wunsch nach Abwechslung, noch nach Menschlichkeit erfüllen kann."
Kainit… ?
"Bist du noch da?"
Elise zog scharf Luft ein.
"Du willst noch heute nach Choisric kommen?"
Sie versuchte den Sprung zu unterdrücken, den ihr Herz in ihrer Brust tat und ärgerte sich darüber, dass es nicht funktionierte.
"Ich kann in zwei Stunden bei dir sein." schlug er vor.
Sie war zu schwach, sich gegen das Gefühl zu w ehren…
"Zimmer habe ich genug. Bleibst du über Nacht?"
In ihrer Stimme schwang ein Ton mit, der es ihm hoffentlich unmöglich machte abzulehnen, doch nichts regte sich am Ende der Leitung und Elise biss die Zähne zusammen.
"Das ist vielleicht keine schlechte Idee." hörte sie ihn sagen und Hitze schoss in ihr Gesicht. Sie wären also zum ersten Mal allein, hier draußen, ohne jede Ablenkung … über Nacht.
"Fein." presste Elise her vor. Mehr ließ das Zittern ihrer Stimme nicht zu. Kommentarlos legte sie auf und unterdrückte einen Aufschrei.
Dann wandte sie sich dem Buch zu.
Das Gemälde erinnerte sie an die Deckenbemalung in katholischen Kirchen. Im unteren Teil herrschte ein Gewirr aus Figuren mit Klauen und Hörnern. Eine Hauptfigur nahm die Mitte des Bildes ein und entgegen den konservativ dargestellten Engelsgestalten im oberen Bereich, hatte der Maler diese sehr menschlich gestaltet. Sie besaß keine Flügel, dafür aber
Weitere Kostenlose Bücher