Fuer Elise
ich noch ein altes Wurstbrot im Handschuhfach. Wollen Sie mit in meine Fahrerkabine kommen?" hörte Elise den Kraftfahrer sagen, der mittlerweile in seinem Container stand.
"D anke." murmelte sie und stürzte aus der Wellblechtür.
Sie achtete nicht darauf, dass bei jedem ihrer Schritte auf dem Blech die Halle zu beben schien. An ihrem Wagen angelangt, ließ sie sich mit der Hüfte rücklings gegen die Fahrertür fallen und schlug mit der Hand aufs Dach. Das Zittern in ihren Knien wurde schon besser, aber ihr Herz schlug nach wie vor schnell.
Eine Mutter mit zwei Kindern schob einen Einkaufswagen an ihr vorbei und angesichts ihrer Miene, leuchtete ihr Gesicht wohl wie ein Sonnenuntergang.
Wütend pfefferte Elise die Handtasche auf den Beifahrersitz und schwang sich selbst hinters Lenkrad.
Zwei Stunden Grübeln und zwei Tassen Kaffee später, fuhr sie zurück zum Mercury Markt. Diesmal parkte sie demonstrativ in der ersten Reihe und sah erleichtert, dass kein Lastwagen mehr vor der Lagerhalle parkte.
Lautlos huschte sie die Rampe hinauf und schlüpfte, nicht ohne vorher einen Blick hinein zu werfen, durch die Hallentür. Niemand zu sehen.
Direkt neben ihr gab es eine weitere Tür, die sie in ihrer Aufregung vorhin gar nicht bemerkt hatte. Daneben war eine Art Schaufenster aus zerkratztem Plexiglas, durch welches sie zwischen Unordnung und weiteren Kartons einen Schreibtisch und dahinter einen vergilbten Schrank erkennen konnte. Elise legte die Hand auf die Klinke. Der Raum war nicht verschlossen. Auch der Schrank ließ sich öffnen und das Grün von einem Dutzend Arbeitsjacken in den unterschiedlichsten Größen leuchtete sie an.
Die Jalousie an der Tür klapperte, als Elise sie hinter sich zuzog und einen weiteren Hustenanfall unterdrückte. Kein Wunder, dass die Hallentür offen stand bei dieser Luft.
Sie hörte einen Moment den entfernten Stimmen nach, doch die deckenhohen Regalwände nahmen ihr die Sicht in die anderen Gänge. In Erinnerung daran, dass sie eine der Supermarktjacken trug, straffte sie die Schultern und trat möglichst selbstbewusst in den ersten Gang. An dessen Ende zweigte ein weiterer, vertikaler Gang ab und Elise blieb unmittelbar vor einem Rücken stehen. Ihr Körper verkrampfte sich. Doch als sie gerade den Rückzug antreten wollte, drehte sich der junge Mann vor ihr schon um.
"Steht dir gut das Grün zu Deinen Haaren." meinte er und grinste.
Er trieb offensichtlich Sport und seine blonden Haare sahen unfrisiert und ziemlich gut aus. Er schien von Elises Erscheinung wenig beeindruckt und senkte seinen Blick wieder auf eine Liste, um etwas zu notieren.
"Ich bin neu hier." sagte Elise , deren Mut etwas zurückkehrte. "Kannst du mir vielleicht zeigen, wo das abgelaufene Zeug hinkommt?"
Er zuckte die Schultern und lief voraus. Elise huschte hinterher. Drei Regale weiter blieb er vor einem rostigen Container, der Elise um zwei Köpfe überragte, stehen.
"Einfach da rein werfen." meinte er, zog die einen Mundwinkel hoch und schlappte in die Liste vertieft davon.
Elise schaute sich um. Wie um alles in der Welt sollte sie in diesen Monster-Container kommen? Sie kaute an ihrer Nagelhaut. Selbst wenn sie eine Leiter organisiert bekam, ohne aufzufliegen, fiel ihr keine Ausrede ein, mit der sie begründen konnte, warum sie im Abfallcontainer saß und die Produkte durchwühlte. Früher oder später würde sie mit Sicherheit jemand entdecken.
Ein Finger tippte von hinten auf Elises Schulter und sie schrak derart zusammen, dass die Adrenalinstöße an einigen Stellen in ihrem Körper Schmerzen hinterließen.
"Kann ich d ir vielleicht nochmals helfen?" fragte die bekannte Stimme mit lausbübischem Unterton.
Er erinnerte sie an Micha…
"Nun sag schon."
Sein Lächeln war wie Zuckerguss.
"Also, ich bin eigentlich nicht…" stotterte Elise drauf los und machte eine unbeholfene Geste mit der rechten Hand. Als sie hilflos darüber, wie sie den Satz beenden sollte, wieder aufsah, lächelte er breiter und verschränkte die Arme vor der Brust.
Er musste mindestens fünf Mal die Woche American Football spielen, dachte Elise.
Der Typ kniff gerade ein Auge zusammen und zog die andere Braue hoch.
"… du bist eigentlich gar nicht vom Supermarkt und willst verdorbene Lebensmittel klauen?" vollendete er ihren Satz und das Lachen breitete sich zu seinen Augen aus. Er schien jedenfalls nicht die Befürchtung zu haben, dass Elise eine Bedrohung für den Laden oder gar seinen Job
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