Fuer Elise
die bleischweren Töne schwappten zum See hinunter. Text und Melodie passte derart perfekt zu der grotesken Situation, dass Elise sich ehrlich fragte, ob er die Szenerie nur für ihre Ankunft so arrangiert hatte.
Sie rümpfte die Nase und lenkte ihren Blick auf seine Brust. Die Atemzüge waren seit zwei Tagen endlich regelmäßig und ohne wesentliche Aussetzer.
Auf Zehenspitzen tippelte sie das letzte Stück um seine Liege, die so nahe an ihrer stand, dass nicht mal ihr Unterschenkel dazwischen passte. Genervt zog sie sie ein Stück weg und setzte sich. Während sie nach ihrem Buch tastete, schielte sie zu ihm hinüber.
Seit der Heilung schlief er so viel wie eine Katze - jedenfalls am Tag! Was er nachts tat, stand in einem anderen Buch. Jedenfalls lag er nicht immer in seinem Bett. Sie hätte ihren linken Arm darauf verwettet, dass er sich zurück in die Gruft schlich und was sie eigentlich daran ängstigte, war der Gedanke an den zweiten Vampir…
Aber Elise hatte es nach zwei durchwachten Nächten aufgegeben, auch noch nachts die Babysitterin zu spielen. Alles was ihr blieb, war zu hoffen, dass sich sein Schlafrhythmus bald dem ihrem anpasste und er bis dahin niemanden umbrachte.
Es war niemand hier, dem ihr Blick etwas verraten konnte, deshalb drehte sie nochmals den Kopf in seine Richtung.
Er hatte kleine Narben auf der Stirn und seine Haut wellte sich uneben über die Kanten seines Gesichts. Bartstoppeln drangen durch seine Haut, die meist hauchzart glänzte, denn er hatte leichtes Fieber. Das Leben kämpfte in seinem Körper um die Vorherrschaft über den Tod.
Zu ihrer Schande musste sie gestehen, dass sie es liebte, wenn er sein Haar im unfrisierten Look trug. Und wenn sie genau hinsah, konnte sie seinen Herzschlag unter den Brustmuskeln rhythmisch zittern sehen.
Sie atmete aus und wollte sich gerade zwingen den Blick abzuwenden, als er die Augen aufschlug und die neue Farbe sie erneut wie ein Blitzschlag traf.
Hellgrün; umrahmt von schwarzen Linien.
Sie riss den Kopf in die Gerade und bemerkte, wie ertappt die Geste auf ihn wirken musste.
Er legte einen Arm hinter den Kopf.
"Guten Morgen, Schöpferin."
Elise verdrehte die Augen.
"Dein Geflirte hättest du mit deinem Blutdurst bei Micha abgeben können." sagte sie und griff nach ihrem Buch. Sie spürte seinen Blick, sogar wenn sie ihn nicht ansah. Momentan wäre sie lieber mit einem Taucheranzug bekleidet gewesen, als mit diesem Bikini. Magnus Kehle entglitt der erwartet anzügliche Laut.
"Vom Scheitel zur Sohle in der Farbe der Sünde."
Doch zu ihrer Überraschung erhaschte ihr Buch seine Aufmerksamkeit. Er beugte sich vor, las den Titel und gab einen Grusellaut von sich.
"Friedhof der Kuscheltiere. Du kannst wohl gar nicht genug kriegen von Tod und Verderbnis?"
"Bild dir bloß nichts ein." fuhr sie ihn an. "Ich habe noch eine Menge Kapazitäten frei für abscheuliche Erlebnisse."
In Wirklichkeit konnte sie Stephen Kings Bücher überhaupt nur am frühen Vormittag lesen, damit sie nicht im Bett davon eingeholt wurde.
Magnus zog das Buch nach unten.
"Hast du was Bestimmtes vor?"
"Du warst nicht der letzte Vampir auf der Erde."
Magnus hob abwehrend die Arme.
"Moment. Was meinst du damit?"
Er war hartnäckig und bestimmend wie zuvor.
"Gar nichts."
"Aha…"
Es klang nicht so, als würde er aufgeben, also warf sie das Buch in den Rasen und schwang sich ins Sitzen, den Rücken ihm zugewandt.
"Ich gehe schwimmen."
Er bekam ihren Arm zu fassen und ein angenehmer Schauer lief ihr über den Rücken.
"Das ist ausgeschlossen!"
"Aber du wolltest doch schwimmen."
Er schnalzte mit der Zunge und schüttelte den Kopf.
"Das meine ich nicht. Willst du dich noch ein paar Hundertmal in deinem Leben von einer schwarzen Witwe beißen und von einem Vampir aussaugen lassen?"
Sie entschied sich t rotz seines Griffs aufzustehen. Er rappelte sich gleichfalls hoch. Man sah ihm an, wie schwerfällig sein Kreislauf sich bemühte, den neuen Männerkörper in die Luft zu hieven. Sein Zustand tat ihr leid.
"Bleib liegen;" bat sie, "ich ertrinke schon nicht!"
"Aber wenn du doch ertrinkst, bin ich entschieden schuld."
Elise verschränkte beide Arme, eine immer noch fremde Haltung. Auf seiner Oberlippe standen winzige Schweißperlen, sein Blick war glasig, aber es war sinnlos, ihn von etwas abhalten zu wollen.
"Ich bleibe im flachen Wasser, wenn du aufhörst mir wie ein räudiger Hund hinterherzulaufen."
Magnus verzog das Gesicht und legte den Kopf
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