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Für hier oder zum Mitnehmen?

Für hier oder zum Mitnehmen?

Titel: Für hier oder zum Mitnehmen? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ansgar Oberholz
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verdanke ich die Bekanntschaft mit einem mir bis dahin unbekannten rauschhaften Gefühl.
    Ich atme tief durch, schüttele das schlechte Gewissen ab, klopfe Klamotte auf die Schulter und fühle mich gestärkt und gereinigt, aber auch erschöpft, wie kalt geduscht nach einem Saunagang.
    »Mann, Mann, Klamotte, das war vielleicht ein Morgen.«
    »Ick sach den Leuten immer, denkt bloß nich, dit Gastro so einfach is, wi dit aussieht«, tröstet er mich väterlich. »Ick habe aber ooch mal jute Neuigkeiten. Hier haste dein ›k‹. Uffkleben musste aber selber.«
    Er überreicht mir eine zusammengerollte Aufkleberfolie, für die ich mich bedanke.
    Magnus, Aurinia und Dolores stehen in leicht veränderter Konstellation. Magnus hält Dolores fest umschlungen, ihr Gesicht vergraben in seine Brust. Ich trete an das tapfere Grüppchen heran.
    »… deshalb will ich absolut einen Film drehen, über das neue Art von Zusammenleben von Frauen und Männern – ›kvinnor och män‹, so soll der heißen.«
    Aurinia hängt an Magnus’ Lippen.
    »Das mit dem Film hattest du mir ja noch gar nicht erzählt«, melde ich mich zu Wort.
    »Ah, da bist du ja endlich!« Aurinia wendet sich mir ungeduldig zu. »Eindeutigere Beweise für paranormale Aktivitäten habe ich selten erlebt.« Sie zeigt auf den nicht barrierefreien Eingang. Am Türrahmen sieht man die Spuren des Kampfes zwischen Freiheitsstatue und Zeus. »Ich kann dir nur mit allem nötigen Nachdruck empfehlen, den Geist der Naziputzfrau schnellstmöglich zu erlösen und endgültig ins Jenseits zu schicken.«
    Ich muss erst innerlich das Programm umschalten, für mich hängen die Themen nicht so offensichtlich zusammen. Das Filmvorhaben von Magnus habe ich auch noch nicht verdaut.
    »Du meinst sicherlich, dass du die Naziputzfrau ins Jenseits beförderst, nicht ich. Ich bin absoluter Laie in so etwas. Noch nie gemacht!«
    Aurinia erklärt mir, dass sie die Austreibung zwar leiten und begleiten könne, aber Dolores und ich, die in dem Fall wichtigsten lebenden Personen, dabei sein müssten. Ich solle mir keine Sorgen machen, es wäre einfacher, als man sich das vorstellen würde. Ein wenig wie die innerliche Verabschiedung eines entfernten Verwandten nach dessen Tod.
    »Ein kleines Opfer ist aber nötig. Du kannst dir schon mal überlegen, was die alte Naziputzfrau wohl freuen und besänftigen würde, damit sie in Frieden gehen kann.«
    »Dass ich ihr schon meine Zeit opfere, reicht wohl nicht aus?«
    »An deiner Stelle würde ich das Thema ernst nehmen, sonst findet das Haus keine Ruhe.« Sie schaut auf Dolores.
    Magnus nickt bedeutungsvoll dazu und zieht seinen spanischen Schützling noch enger an sich heran.
    »Ich bin mir sicher, dass dein Café richtig gut laufen wird, wenn der Spuk erst einmal vorbei ist.«
    Bei diesen Worten tritt Aurinia an mich heran. Ich beginne zu verstehen, warum sie ein Medium ist. Ihr Blick geht durch mich durch, was sie sagt, klingt überzeugend, und für einen Moment empfinde ich dieselbe Realität wie sie. Der Vorhang hebt sich kurz. Ich sehe Feen, Gespenster, Fabelwesen und paranormales Allerlei.
    Auch wenn ich nicht an diese Dinge glaube, kann die Geistaustreibung nicht schaden. Dolores und die anderen Teammitglieder würden beruhigt sein, außerdem könnte es eine interessante Erfahrung werden, ein wenig neugierig bin ich schon. Ich gebe mich also geschlagen und stimme zu.
    In einer Woche werden wir uns treffen. Abends im Keller. An Neumond, das ist der beste Zeitpunkt – laut Aurinia.
    In meiner Grundschulzeit nahm ich einmal an einer Séance teil. Ein Mädchen, jünger als ich, behauptete, ein Medium zu sein, wir trafen uns nachmittags in einem verdunkelten Kinderzimmer. Auf dem Schreibtisch die Buchstaben des Alphabets, die Ziffern Null bis Neun und die Worte Ja und Nein auf kreisförmig angeordneten Zetteln. Ein umgedrehtes Glas in der Mitte, auf dem jeder behutsam seinen kleinen, schweißnassen Zeigefinger ablegte. Das Mädchen murmelte und zischelte, seine Lider flatterten, dann öffnete es die Augen und sagte: »Der Geist ist da, ihr könnt jetzt Fragen stellen. Aber fragt nicht danach, wann ihr sterben werdet. Oder irgendjemand anderes sterben wird. Das ist nicht erlaubt und bringt großes Unglück über den Fragenden.«
    Ich fragte nach dem Todestag meiner Großmutter. Die war bereits tot, diese Frage war also nicht verboten. Niemand in diesem Kinderzimmer konnte das Datum kennen, ich war mir selber nicht ganz sicher, seit ihrem Tod

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