Für hier oder zum Mitnehmen?
Magnus’ Fehler für einen Beweis ihrer Vermutung.
»Dolores und Magnus haben vermutlich sexuellen Kontakt, so wie es aussieht. Sonst weiß ich nicht, wer hier noch mit wem rumvögelt.«
Ich habe Milena noch immer nicht zur Rede gestellt, das hat sich einfach nicht ergeben, ich wollte keine riesige Sache daraus machen und sie nur deshalb zu einem Gespräch bitten. Beiläufig, wie zufällig, wollte ich es abfragen, schließlich ist das kein großes Thema für mich.
Kaja geht in den Keller, um sich für ihre Abendschicht umzuziehen. Als sie die Treppe hinuntersteigt, ruft sie in die Küche: »Ich sag mal so, die Schweden scheinen einen sehr offenen und körperlichen Umgang zu pflegen. Ist ja aber auch egal. War eine dumme Bemerkung. Hab mich schon wieder beruhigt. Hauptsache, ich kann sonntags ab und zu mal ausschlafen.«
Alle vögeln rum, nur Kaja nicht. Und ich? Ich vögele rum und bekomme leider nichts davon mit. Wenn das Gerücht umgeht, dass ich mit Mitarbeiterinnen Sex habe, dann ist ja der Hauptgrund dafür, nicht mit Mitarbeiterinnen Sex zu haben, nämlich das Vermeiden von Gerede und Gerüchten, nicht mehr gegeben. Vielleicht sollte ich mal mit einer Mitarbeiterin Sex haben? Dann wären die Gerüchte auch berechtigt. Will denn überhaupt eine meiner Mitarbeiterinnen mit mir Sex haben? Hallo – will hier irgendjemand auch mal mit dem Chef Sex haben?
Als könnte er meine Gedanken lesen, nickt Shanti mir breit grinsend zu, als wolle er sagen: Mach doch mal. Sei doch nicht so verklemmt. Wir sind hier in der Gastro und nicht im Vorstand der Deutschen Bank.
Milena tänzelt beschwingt vorne durch den Tresen. Ihre Schicht ist jetzt bald zu Ende. Die Frühschicht und die Abendschicht überlappen sich ein wenig. Ich werde das Gefühl nicht los, dass sie weiß, was wir gerade in der Küche besprochen haben, dass sie alle Fäden in der Hand hält und ich die Marionette bin.
Nach dem Vorfall mit dem General ist die gesamte letzte Woche zäh verlaufen. Das berauschende Gefühl, meine Wut auszuleben, sie nicht mehr geheim zu halten, war schnell verflogen, was blieb, war meine Sehnsucht danach. Wie die Sehnsucht nach dem ersten überwältigenden Kick einer neuen unbekannten Droge.
Der Sonntagsfehler ist nicht der einzige Fehler, den Magnus bei der Erstellung des Schichtplans gemacht hat. Gemecker und Gezeter hat es nach der Veröffentlichung immer gegeben, auch als ich ihn noch erstellte. Ursprünglich wollte ich ein selbstverwaltetes, für alle Mitarbeiter zugängliches Schichtsystem mit Hilfe eines Online-Kalenders aufbauen. Derjenige, der die Schichtpläne erstellt, muss auch die unbeliebten Schichten zuteilen, damit macht er sich angreifbar. Wenn das selbstverwaltet geschieht, so war meine Überlegung, würde es keine Probleme geben, niemand müsste den Buhmann spielen. Aber kaum einer meiner Mitarbeiter hatte die nötige Affinität zum Internet. Das war zu einer Zeit, zu der man sich nach der Begrüßung noch fragte, ob man in den letzten Tagen eigentlich mal seine E-Mails gelesen habe. Folglich lief mein Plan ins Leere, und ich schwenkte um. Auf handgemachte Schichtpläne, vom Chef persönlich frisch ausgedruckt. Zudem lernte ich schnell, dass ein Mitspracherecht der Mitarbeiter bei der Verteilung der Schichten recht große Probleme aufwirft und nicht zur Effektivitätssteigerung beiträgt, geschweige denn zu weniger Konflikten führt, als ein faschistisch-autoritär erstellter Schichtplan.
Magnus hatte, als ich ihn danach fragte, das Thema seiner Cafégründung heruntergespielt. Er hätte eben gehört, dass da was frei würde in der Torstraße, und mal laut darüber nachgedacht, dass er vielleicht ein Café eröffnen könnte. Dass Florian das gleich als Job auffasste, konnte er ja nicht wissen. Er beteuerte, dass er mir als Erstem mitteilen würde, wenn er ein Café aufmachen wolle. Das mit dem Film, das sei schon ernster gemeint, da arbeite er am Konzept, und gerade in meinem Café, da gäbe es ja viele Schauspieler und Kollegen, die noch gar nicht wüssten, welche schauspielerischen Fähigkeiten in ihnen schlummerten. Florian habe übrigens auch Interesse am Kulissendesign angemeldet. Für die Filmbauten benötige man einen kreativen Architekten.
Florian ist innerhalb kurzer Zeit vom unkreativen Bauleiter zum kreativen Architekten für No-Budget-Filmbauten aufgestiegen. Berlin verändert nicht nur den Kleidungsstil der zugezogenen Kleinstädter rasend schnell.
Die Schichtpläne hat Magnus im Copyshop
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