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Für hier oder zum Mitnehmen?

Für hier oder zum Mitnehmen?

Titel: Für hier oder zum Mitnehmen? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ansgar Oberholz
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vervielfältigt, dann zu Hause bemerkt, dass sich ein Fehler darin befand. Daher hat er sie noch mal auf seinem Tintenstrahldrucker gedruckt – auf eigene Kosten. Er konnte mir nicht genau sagen, welchen Fehler er entdeckt hatte.
    Die Sonntagsfrühschichtregel war ihm unbekannt. Er versicherte mir, bei der Erstellung des nächsten Schichtplanes mehr Sorgfalt walten zu lassen.
    Der General ist seit dem Rausschmiss nicht mehr in das Café gekommen, er verkauft seine selbstverlegte Obdachlosenzeitschrift genau vor dem Eckeingang. Das kann ich ihm nicht untersagen, es ist öffentliches Straßenland und nicht mehr Teil meines Schankvorgartens, für dessen Nutzung ich Steuern zahle und in dem mein Hausrecht gilt. Der General schnitt mich, wenn ich ihn grüßte. So gab ich das Grüßen nach ein paar Tagen auf. Fred war nicht mehr zu sehen.
    Es klopft hart an das Küchenfenster, einer der Zwillinge nutzt dazu einen Fingerring. Ein Weckruf. Sie geben Zeichen, ich solle zu ihnen herauskommen. Sie müssten mir da etwas zeigen. Ich schiebe den aufgeweichten Schichtplan von der Arbeitsplatte in den Mülleimer und verlasse die Küche.
    »Pass uff, Meester. Janz jeheime Informationen – für dich exklusiv.« Sie tritt nah an mich heran, ich senke instinktiv den Kopf, höre Püppis Hecheln überdeutlich, er sitzt auf ihrem Arm.
    »Mehmet hat Probleme mit seinem Kiosk, der macht dit nich mehr lange da unten. Dit is die Chance für dich, richtig jut ins Jeschäft zu kommen.«
    »Was meinst du denn damit? Welche Chance?«
    »Überleg doch mal, Junge! Wenn dit Ding da unten …«, sie deutet auf die Treppe, die hinunter zum U-Bahnhof Rosenthaler Platz führt, »frei wird, da kannste richtig Jeld mit machen. Keen Vergleich zu deinem Riesenschiff hier oben.«
    »Verstehe! Aber wenn es ihm doch da unten finanziell nicht so gut geht, warum sollte ich dann mehr Glück haben?«
    Die beiden schauen sich ungläubig an. »Den Wessis muss man aber auch allet uffm Silbertablett präsentieren, wa?« Balkenmodus. Die andere nickt und schüttelt gleichzeitig den Kopf, das beherrschen nur gebürtige Berliner. Dann wird mir mitgeteilt: »Denk doch mal scharf nach. Dit Dingen nennst du ›St. Unterholz‹!« Sie macht eine Pause, um die Wirkung dieser großen Idee auf mich zu genießen. »Na? Hastet? Besser geht dit nich. Und bei Mehmet läuft dit nich, weil Mehmet sein Kaffee einfach nich schmeckt. Früher warn wa immer bei ihm, nu gehen wa zu dir. Da sind wa hier nich die Einzijen.«
    Wen könnten sie sonst noch meinen? Fred und den General? Habe ich Mehmet die Stammkundschaft weggenommen? Erklärt das die Art der bunten Mischung meiner Gäste? Ich hätte nicht gedacht, dass ich eine Konkurrenz für Mehmet sein könnte. Dass meine ölige Emulsion besser schmeckt als seine wässrige Lösung freut mich sehr, wirklich überraschend ist dieser Fakt andererseits aber nicht. Dass die Zwillinge dem Standort unter Tage mehr Potential zuschreiben als dem großen alten Ex-Aschinger im Tageslicht, verunsichert mich hingegegen.
    Trotz dieser Verunsicherung weiß ich eines ganz genau: Ich will im Moment auf keinen Fall noch einen Laden eröffnen, eine schlimme Vorstellung, bei der sich mir der Unterbauch krampfhaft zusammenzieht.
    Die Hirnhälften korrespondieren indessen munter weiter: »Haste ja kaum Miete zu zahlen, is ja kleen.«
    »Dit is ja allet nur zum Mitnehmen, wat de da unten machst. Dit is ja der große Vorteil.«
    »Eben. Keene Toiletten, keen Jeschirr, und vor allem muss ja jeder da vorbeijehen, wenn er in die U8 will.«
    »Und in die U8 wollen se alle!«
    Ich möchte die beiden nicht vor den Kopf stoßen, vor allem nicht, wenn ich mich wie ihr Hirnbalken fühle.
    »Es ist wirklich sehr nett von euch, dass ihr da an mich denkt. Ich gehe mir den Laden mal anschauen und rede mit Mehmet, dann sehen wir weiter.«
    Mit Mehmet reden, das halten die Zwillinge für keine gute Idee, da Mehmet den beiden seine Geldsorgen und die Kündigungsdrohungen des Vermieters im Vertrauen mitgeteilt hat. Ich versichere, dass mein Gespräch mit ihm nicht von dieser Insiderinformation gefärbt sein würde. Damit geben die beiden sich zufrieden, und ich lade sie als Dank auf eine ölhaltige Emulsion im Café ein.
    Dort treffen wir auf Magnus, der auf dem Tresen einige Filmszenen als Scribbles vor dem amerikanischen Porno-Cutter ausgebreitet hat. Kaja zapft Bier, Milena telefoniert. Das Tresentelefon ist ein alter Postklassiker, Achtziger-Jahre-Design, weinrot, mit Kabel,

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