Für hier oder zum Mitnehmen?
übersät ist mit Aufklebern, er blickt erwartungsvoll zu den Eingängen. Die Bierflasche auf dem Tisch ist leer. Wie lange er wohl da schon sitzt und nichts konsumiert, frage ich mich.
Am Tresen steht Frau Melanowski und wartet fröhlich darauf, bedient zu werden. Ich gebe Milena vieldeutige Zeichen, dass sie sich um sie kümmern soll. Sie schuldet mir noch Geld, denke ich.
Lisa hat sich inzwischen wieder gefangen. »Bitte, bitte, du musst mir den Gefallen tun! Geh zu ihm hin und sag ihm: Lisa liebt dich und wird dich immer lieben. Und sie wird diese Nacht nie vergessen. Aber sie kann nicht, sie kann einfach nicht. Er soll nicht böse sein, und schon gar nicht traurig. Er soll ohne mich fahren. Vielleicht begegnen wir uns noch mal in diesem Leben.«
Das ist der Grund ihres Anrufes? Warum lässt sie ihn nicht einfach sitzen, so wie man das früher stilecht gemacht hat? Einfach nicht kommen, der andere begreift doch automatisch, was Sache ist. Der Sitzengelassene denkt aus Selbstschutz zunächst, das Nichterscheinen der Geliebten könne nur bedeuten, dass ihr etwas zugestoßen sei, oder der andere habe ihr Vorhaben entdeckt und hielte sie nun gefangen. Die Möglichkeit des Sitzengelassenwerdens blendet er aus. In Zeiten von Mobiltelefonen ist das Sitzenlassen allerdings nicht mehr ganz so stilecht, irgendwann wird der Sitzengelassene eine SMS schreiben oder anrufen, dann reagiert man nicht darauf oder hat sein Telefon abgeschaltet, das schürt die Vermutung, dass eine Katastrophe geschehen sei, verlängert das Leiden unnötig und verleitet den Gehörnten unter Umständen zu unvernünftigen Befreiungsversuchen, die in diesem Moment nun wirklich niemand braucht.
»Habe ich dich da richtig verstanden, Lisa? Ich soll zu Carsten gehen – kann es sein, dass er einen Lederkoffer dabeihat?«
Sie bejaht unter größtem Schmerz.
»Und soll ihm das alles ausrichten? Ich kenne euch beide doch gar nicht. Warum schickst du ihm nicht eine SMS ?«
Sie habe seine Telefonnummer nicht und wüsste auch sonst nicht viel über ihn, sie hätten sich vor zwei Tagen kennengelernt, seien miteinander abgestürzt und hätten im Liebesrausch diesen Plan ausgeheckt, sich am Montag in meinem Café zu treffen, um durchzubrennen. Aber sie könne nicht, sie könne einfach nicht, das müsse ich doch verstehen. Wenn ich ihn jetzt nicht anspräche, werde er sein Leben lang nicht wissen, was mit ihr sei.
Mein Vorschlag, ihn an das weinrote Telefon zu holen, lehnt sie ab, das bringe sie nicht fertig, das solle ich bitte übernehmen.
Auf eine unbestimmte Weise fühle ich mich verantwortlich für Carsten. Ich gebe Lisa das Versprechen, ihren Auftrag auszuführen, und beende das Telefonat. Das ist schließlich auch eine Art von Kundenbindung. Lisa und Carsten werden in der Welt von diesem netten, romantischen Wirt erzählen, der zu jeder Tat im Namen der Liebe bereit war. Das kann nur gut sein für das Café, für den Umsatz und auch für mein Karma.
Ich habe Lisas Telefonnummer nicht, das alte Postophon kann keine Nummern anzeigen, es verfügt über kein Display.
Ich blicke zu Carsten, und mich verlässt ein wenig der Mut. Ich bin die einzige verbliebene Verbindung zwischen den beiden. Ich habe diesen vertrauensvollen Auftrag übernommen und werde ihn auch gewissenhaft ausführen. Wenn ich Hirnhälften miteinander verbinden kann, dann sollte mir das auch mit Liebenden gelingen.
»Du musst Carsten sein!« Aufgesetzt gutgelaunt lache ich den jungen Mann an. Seine langen blondgelockten Haare sind sonnengebleicht, Sommersprossen befinden sich auf allen sichtbaren Hautstellen, Typ Surflehrer. Die Aufkleber auf seinem Koffer erzählen von klassischen Reisezielen, Rom, Tokyo, London, Paris, Moskau, auch Maui. Mit einem Mal bin ich sehr aufgeregt.
Er lächelt zurück.
»Lisa! Hast du etwas von Lisa gehört?«
Er ist glücklich und voller Tatendrang. Aus Verlegenheit räume ich die leere Bierflasche ab.
»Ja, das habe ich.«
Er ahnt nichts, gar nichts. Muss ja eine berauschende Nacht gewesen sein, beneidenswert, bis auf das Ende.
»Ja, also, Lisa hat angerufen, sie kann nicht kommen.«
»Hat sie den Termin verschoben? Auf morgen?«
»Nein, also, wie soll ich sagen … Sie kann gar nicht, also nie mehr kommen.«
»Das verstehe ich nicht!« Er runzelt die Stirn und lehnt sich zurück.
»Sie liebt dich und wird dich immer lieben, soll ich dir sagen, aber sie kann irgendwie nicht.«
Jetzt schäme ich mich ein wenig, eine unangenehme Situation, das
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