Für hier oder zum Mitnehmen?
erinnern. Es könnte auch sein, dass Milena der Antwort ausgewichen ist, ich weiß es nicht mehr.
»Hast du gut geschlafen?«
Die Vertrautheit in Milenas Frage fällt wie ein großer Vorschlaghammer auf meinen ohnehin bereits schwer lädierten Schädel. Wir sitzen hier an diesem Tisch wie ein altes Ehepaar, fehlt nur noch, dass ich mich hinter der Zeitung vergrabe.
»Ähem, äh, ja, nur zu kurz, nehme ich an.«
Meine Stimme klingt nicht nur leicht, sondern massiv versoffen. Jemand hat mir mal erzählt, dass Alkohol als Muskelrelaxans wirke. Weshalb die Stimmbänder nach der Einnahme großer Mengen desselben weniger straff gespannt seien und damit wie die Saiten einer Gitarre, die man gelockert hat, tiefer klängen. Wie eine schlaffe Gitarrensaite fühle ich mich im Ganzen.
Die Backwaren entpuppen sich als zwei Croissants. Mein Magen ist der Meinung, dass die beiden Aspirintabletten Frühstück genug waren, mein Verstand lässt mich aber einige Bissen des Croissants verspeisen. Mir will kein geschmeidiges Gesprächsthema einfallen. Ich kann mir zweifelsfrei einen ausgewachsenen, handfesten Kater beglaubigen. Milena scheint die Situation als normal hinzunehmen. Ist sie einfach geübt in Das-Frühstück-nach-der-ersten-Nacht, oder ist sie schauspielerisch abgebrüht? Solche Morgen sind immer ein bisschen schwierig, aber in so einer Konstellation sind sie nur unter großen Schmerzen auflösbar. Milena ist kalt, aalglatt. Ich kann nicht sagen warum, aber ich bin mir jetzt sicher, dass ich hier nicht sitzen würde, wenn ich nicht ihr Chef wäre. Diese gefühlte Gewissheit legt sich bleiern über meinen Bauch.
Milena plappert frei über die Kaffeequalität ihres Bäckers, die ganz ok sei, aber nicht vergleichbar mit der unsrigen, dass sie diese Tageszeitung hier immer am liebsten lese. Der Kaffee schmeckt fürchterlich. Meine Visionen der Liebe und Geschäftspartnerei in Bezug auf Milena verwerfe ich. Ich muss mir eingestehen, ich empfinde nichts für sie. Das wäre zumindest geklärt. Dafür war diese Nacht schon mal gut, auch wenn der Preis dieser Erkenntnis in jedem Fall sehr hoch ausfallen wird. Ich versuche die Situation wie ein Erwachsener zu lösen, wir können doch jetzt nicht so tun, als sei gar nichts gewesen, egal, ob wir Sex miteinander hatten oder nicht. Ich unterbreche sie. »Milena, lass uns das als einmaligen Ausrutscher betrachten.«
Sie nimmt einen Schluck Kaffee und lehnt sich zurück.
Das werte ich als Zustimmung und setze nach: »Ich denke, wir beide haben ein gesteigertes Interesse daran, dass niemand von der Angelegenheit erfährt.«
Es entsteht eine unangenehme Pause. Papierknistern, Kaffeeschlürfen, Räuspern, eine S-Bahn rauscht vorbei.
»Wenn wir schon offen miteinander sprechen … Ich wollte dich auch noch was fragen … Wäre vielleicht ein höherer Stundenlohn für mich drin? Ich bin von Anfang an dabei und habe meine Schichten immer zuverlässig absolviert.«
Sie klimpert mit ihren Augen, dreht den Kopf ein wenig zur Seite und nach unten. Sie ist nicht mehr kalt. Ich verspreche ihr, diese Forderung im Hinterkopf zu behalten und demnächst zu berücksichtigen. Dieses stillschweigende Abkommen ist mir in meinem jetzigen Zustand lieber als weitere Unsicherheit. Die Empörung, die in mir hätte aufsteigen müssen, wurde vom Kater, der Angst und dem Schuldgefühl weggesperrt. Immerhin bemerke ich, dass ich empört sein müsste.
»Kann ich mal deine Toilette benutzen?«
»Klar. Außenklo, halbe Treppe nach oben, der Schlüssel hängt neben der Wohnungstür. Ich muss jetzt aber los, sonst komme ich zu spät zu meiner Frühschicht, und ich denke, wir beide haben ein gesteigertes Interesse daran, dass das nicht passiert. Die Wohnungstür kannst du einfach zuziehen.«
Sie greift nach Tasche und Mantel, beugt sich zu mir hinunter und küsst mich kurz auf den Mund, recht feucht.
»Bis gleich!« Sie winkt mir zu, die Tür fällt ins Schloss.
Ich blicke auf die Tageszeitung und breche innerlich zusammen. Ich Vollidiot! Anstatt die Dinge vernünftig zu regeln und in die Hand zu nehmen, reite ich mich immer tiefer in die Verstrickungen. Verstrickung deluxe! Ich und Odysseus! An Selbstüberschätzung leide ich. Töricht wie der Zyklop habe ich mich verhalten. Nichts von dem, was ich mir vorgenommen hatte für die letzte Nacht, hat geklappt. Nicht den Absprung geschafft und morgens auch noch bei der klatschwütigsten Mitarbeiterin des Universums im Bett aufgewacht, ohne zu wissen, was
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