Für hier oder zum Mitnehmen?
Erscheinungsbild nach einer durchzechten Nacht wirkt meist überraschend frisch. Wenn ich ein veganes Abendessen und Tee zu mir nehme und zehn Stunden schlafe, fragen mich meine Mitmenschen am nächsten Morgen, was denn mit mir in der letzten Nacht geschehen sei. Auch hier scheint die Natur eine Regel zu verkehren, so wie das Café bei schlechtem Wetter besser aussieht als bei gutem.
Ich gehe nicht auf seine Äußerung ein, ich muss mir meine Kräfte heute einteilen.
»Was sind das für Hochstühle?«
»O ja, die sind cool, oder? Ein Freund von mir ist Tennislehrer, und die haben neue Schiedsrichterausrüstung erhalten. Die wollten die Stühle in den Müll machen, da habe ich gesagt, das wäre absolut schade. Deshalb hat er sie zu mir nach Hause gebracht, aber sie passen nicht durch mein Tür. Ich kann die gar nicht beherbergen.«
»Und da dachtest du dir, dann stelle ich sie mal vor das Café?«
»Ja, genau. Weil, das ist doch ein guter Eyecatcher und sieht lustig aus. Und Platz genug hast du doch da. Das Vierte holen wir jetzt noch.«
Magnus und Aurinia lächeln sich lange an, als ob ich gar nicht vorhanden wäre. Wahrscheinlich höre ich bald davon, dass die beiden gemeinsam einen Ashram eröffnen wollen, der heißt dann »Yoni und Lingam«. Die Hochstühle sehen ungewöhnlich aus, Magnus Einschätzung ist nicht falsch. Aber was haben sie vor einem Café zu suchen? Einer nimmt die Fläche von vier regulären Sitzplätzen ein. Für große Auseinandersetzungen bin ich heute zu schwach.
»Einverstanden. Stellt sie doch erst mal hier ab. Wir warten ein paar Tage, wie die so ankommen bei den Gästen.«
Als passendste Position legen wir drei noch gemeinsam die beiden äußersten Punkte des Schankvorgartens fest, auf der Torstraße vor unserer Küche und auf der Rosenthaler Straße kurz vor dem angrenzenden Gebäude.
Arm in Arm ziehen die beiden los, um das Projekt zu Ende zu führen. Ich blicke ihnen mit gemischten Gefühlen nach und gehe alleine in mein Café.
Milena hat spürbar schlechte Laune. Der Porno-Cutter sitzt bei ihr am Tresen, neben ihm eine hübsche Frau, die abwesend auf ihrem Mobiltelefon herumtippt.
»Morgen! Du siehst ja fertig aus. Schlecht geschlafen?«, sagt Milena kalt und gereizt, ihre Stimme klingt ein wenig höher und aufgekratzt. Sie demonstriert mir ihre neugewonnene Macht.
Den Porno-Cutter erfreut diese Art der Begrüßung, er lächelt in sich hinein. Ich antworte wortkarg und bemüht freundlich und werde von Shanti gerettet, der mich aufgebracht in die Küche ruft.
»Da bist du ja endlich! Du musst jetzt sofort losgehen in die Büros. Es ist bald Mittagszeit.«
Heute beginnen wir mit dem neuen Mittagstischangebot. Wenn Shanti mich nicht daran erinnert hätte, hätte ich es womöglich ganz vergessen. Den Plan, die Wochenkarte persönlich in den Büros und Agenturen zu verteilen, finde ich mit einem Mal nicht mehr überzeugend. Ist das der richtige Weg? Sollte man ihn nicht lieber per Post oder E-Mail schicken?
»Shanti, bist du dir sicher, dass das alles so funktionieren wird, wie wir uns das gedacht haben, wenn ich gleich so ›Ding-dong. Guten Tag, ich komme von dem neuen Café da drüben und wollte euch unsere neue Wochenkarte überreichen‹ bei irgendwelchen Büros klingeln gehe?«
Ich versuche möglichst mitleiderregend auszusehen. In Shantis Gesicht zeichnet sich eine Regung ab, um Mitleid handelt es sich dabei nicht.
»Was gibt es eigentlich so dermaßen dämlich zu grinsen? Hab ich was im Gesicht?«
Ich streiche mit der Hand über Wangen und Stirn. Die rechte Wange schmerzt noch immer deutlich, ohne dass ich den Grund dafür kenne. Ist mir der Burger-King-Fan gestern Nacht noch mal begegnet?
»Ich? Ich grinse doch gar nicht.«
»Stimmt, du kannst kaum sprechen vor Lachen.«
»Sag mal, hat die Putzfrau die Küche heute mit Desinfektionsmittel grundgereinigt, oder bist du das?«
Flüchtet sich Shanti in eine Anspielung auf meine Alkoholfahne, weiß er irgendetwas von Milena?
Ich kämpfe weiter um Begnadigung. »Was machen wir jetzt mit dem Mittagessen? Lass uns das doch bitte einfach um einen Tag verschieben.«
Shantis Belustigung ist vorbei. »Auf keinen Fall! Gerade heute zum Auftakt habe ich doch Wiener Schnitzel auf dem Programm. Die sind schon geklopft, und die Panade ist auch schon fertig. Das schmeißen wir sonst alles weg.«
Kalbsschnitzel sind es, sonst dürften sie nur Schnitzel Wiener Art heißen. Das hatten wir bei der Erstellung der Karte auf einer
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