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Für hier oder zum Mitnehmen?

Für hier oder zum Mitnehmen?

Titel: Für hier oder zum Mitnehmen? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ansgar Oberholz
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richtig verhalten soll. Und so konnte ich nicht einschätzen, was angemessen ist und was nicht. Ich dachte, ok, bloß kein Aufsehen erregen. Wenn ich dir gesagt hätte, dass du die Bewerberin nicht vergessen sollst, dann hätte doch jeder mitbekommen, wie vertraut wir miteinander sind. Außerdem willst du sie ja vielleicht auch einfach ein bisschen zappeln lassen?«
    Milenaverwirrung. Warum sollte ich die Bewerberin zappeln lassen? Meint sie sich damit selber, findet sie, ich ließe sie zappeln? Warum sollte irgendjemand denken, dass wir die letzte Nacht gemeinsam in einem Bett verbracht haben, nur weil sie mir sagt, dass die Bewerberin am Tresen sitzt? Milena hat ihren eigenen Wertekanon, mutwillige Boshaftigkeit kann ich nicht feststellen. Immerhin befreit mich ihr versöhnlicher Ton von einem großen Teil meiner akuten Schuldgefühle. Ohne Milenas Aussagen, die ihrer eigenen Logik folgen, nachvollziehen zu können, freue ich mich über ein Stückchen Normalität.
    »Setz dich doch.« Ich rücke den Besucherstuhl links neben der Tür für sie zurecht, sie nimmt das Angebot an.
    »Schau mal«, sagt sie vertraut, das Glaspoliertuch nun auf den Knien, »bei der Geschichte mit dem Zeitungsausschnitt, da habe ich dich doch auch gedeckt. So hattest du das doch gemeint, oder?«
    Genau bei dieser Geschichte hatte ich vielmehr das Gefühl, dass Milena mir ihre neugewonnene Macht demonstrieren wollte, nicht dass sie mich schützen und decken wollte. Meiner Einschätzung nach hat sie den Joker an dieser Stelle nur nicht ausgespielt, um ihn weiter auf der Hand halten zu können.
    Unterstelle ich den Menschen stets böse Absichten und hege diese doch nur im tiefsten Innern selbst? Das Schuldtöpfchen ist nun wieder prall gefüllt. Ich lüge und verstricke doch auch, ohne dabei Böses zu wollen.
    Ob Milena böse Absichten hegt oder nicht, das Ergebnis bleibt das gleiche. Ihr Spiel mit dem geheimen Wissen und der Macht findet in meiner Wahrnehmung statt, also ist es auch real. Aber darüber will ich morgen nachdenken, wenn ich wieder gesund bin. Ich ahne, dass ich meine Realität leben sollte und nicht die meiner Mitarbeiter.
    »Schwamm drüber. Ist ja alles noch mal gutgegangen.«
    Ich räuspere mich, meine Stimme klingt noch tiefer und noch belegter als zuvor. Milena lässt sich erlöst auf den Stuhl zurückfallen, ihr Kopf bewegt sich dabei sehr nah an einem Lüftungskanal vorbei.
    »Ich muss dir noch einen zweiten Diebstahl gestehen, neben der ausgerissenen Seite: Zwei Aspirintabletten habe ich mir genommen, als du Frühstück holen warst.«
    Das Wort ›Aspirin‹ auszusprechen tut gut, und die Wirkung der Acetylsalicylsäure entfaltet in dem Moment gänzlich seine wohltuende Wirkung in meinem Kopf.
    Milena fühlt sich wieder sicher und schaltet auf Angriff um. »Du kennst dich ja schon gut aus bei mir zu Hause!« Ohne Not wird sie den Joker nicht aus der Hand geben. »Na ja, wollen wir das mal als einmaligen Ausrutscher betrachten, Chef!«
    Das ist das erste Mal, dass sie ›Chef‹ zu mir sagt. Das Wort tut weh. Der große Spieler scheint sie zu beraten, die Feder spannt sich. Den schwierigsten Part habe ich noch vor mir.
    »Ich habe noch etwas aus deiner Wohnung mitgenommen.«
    Ich greife in meine Hosentasche, der Toilettentürschlüssel hat sich im Futter verhakt, ich muss aufstehen, mit eingezogenem Kopf, um ihn herauszuholen, es sieht sicherlich sehr ungelenk aus. Milena macht ein Gesicht, als würde ich meine Hose öffnen wollen. Ich benötige beide Hände, um den Schlüssel zu befreien.
    »Da, den muss ich dir noch zurückgeben.«
    Den habe ich unbewusst als Trophäe mitgenommen, und mit ihm gebe ich dir dein Herz zurück, denke ich. Ich muss dringend nüchtern werden.
    »Den habe ich aus Versehen mitgenommen.«
    Ich halte den Schlüssel hoch, damit sie ihn gut erkennen kann, wackele damit hin und her, als wollte ich einen Hund scharf auf das Stöckchen machen, und reiche ihn zu ihr hinüber. Sie umfasst das freie Ende des Schlüssels, unsere Fingerspitzen berühren sich.
    »Hattest du mittlerweile Zeit, über meine Gehaltserhöhung nachzudenken?«, fragt sie, süffisant lächelnd, ohne den Schlüssel vollends anzunehmen.
    Die Tür fliegt auf. Magnus steckt den Kopf herein.
    »Hast du Milena gesehen? Da unten ist absolut was los!«
    Sein Blick fällt auf den Schlüssel, der noch immer von mir und Milena gehalten wird. Das Aufstoßen der Tür hat uns in dieser Pose einfrieren lassen.
    Magnus kann durch die

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