Fuer immer 2 - die Liebe
Probenraum und kollidiert mit Herrn Steinberg, der gerade den Gang entlangkommt. Ihr blonder Kopf reicht ihm kaum bis an die Schulter, und als sie schuldbewusst mit ihren großen grünen Augen zu ihm aufsieht, kann ich mir lebhaft vorstellen, was in ihr vorgeht – in ihrem Alter hatte ich auch einen Höllenrespekt vor ihm.
»Haben Sie es eilig?«, fragt er und schaut mit strenger Miene auf sie herab.
Olivia gibt sich Mühe, tapfer zu bleiben. »Nein, Sir. Ich hatte nur Durst, und Miss Nicole hat gesagt, ich darf mir nach dem Unterricht einen Saft holen.«
»Gut, du kannst gehen, aber von jetzt an wird in meiner Schule nicht mehr gerannt, verstanden?« Ich weiß nicht, wie er es schafft, ein ernstes Gesicht zu bewahren, ich jedenfalls muss mein Grinsen hinter dem Notenblatt verbergen.
»Ja, Sir.« Vorsichtshalber wirft sie auch mir noch einmal einen fragenden Blick zu, und als ich aufmunternd nicke, trippelt sie mit hastigen Schritten davon.
Bevor ich hinausgehe, um Zander hereinzurufen, hole ich tief Luft. »Bereit?«, frage ich mit aufgesetztem Lächeln. Ich habe keine Ahnung, ob mein Plan funktionieren wird.
Mit demonstrativem Stöhnen zerrt Zander den Instrumentenkoffer in den Probenraum. Ich schließe die schalldichte Tür hinter ihm und er beginnt, das Cello auszupacken.
»Warte. Heute werden wir den ersten Teil der Stunde mal anders gestalten.«
»Aha … und wie?«, fragt er skeptisch.
Ich hole mein Handy raus. »Also, wie wir beide wissen, ist das Cello ja nicht gerade dein Lieblingsspielzeug.«
»Wie kommst du denn darauf?« Sein Mund verzieht sich zu einem spöttischen Grinsen.
Ich schaue kurz zur Tür hinüber. »Und wir wissen auch, dass deine Mom dich gnadenlos weiter hierherschleppen wird, ganz egal, ob dir oder mir das passt.« Ich tippe aufs Display. »Darum habe ich mir gedacht, wir machen einen Deal. Ich werde dir statt dem Klassikkram, den du sowieso hasst, nur noch coole moderne Musik beibringen, und du wirst dich dafür weniger ätzend benehmen.«
Das entlockt ihm immerhin ein kleines Lächeln. »Was denn für Musik?«
»Es gibt viele moderne Musiker, die mit dem Cello ganz erstaunliche Sachen machen. Wie diese Frau hier zum Beispiel.« Ich drücke auf den Play-Button, um das Video, das ich runtergeladen habe, abzuspielen.
»Ihr Name ist Rebecca Roudman, und was wir gleich hören werden, ist mein Lieblingsstück von ihr. Es ist eine Coverversion und heißt ›Sweet Child of Mine‹.« Zander rückt seinen Stuhl ein Stück näher, damit er besser sehen kann. Als wir uns beide über das kleine Display beugen, rieche ich seinen typischen Kleine-Jungs-Geruch, eine Mischung aus Dreck, Schweiß und etwas Frischem, beinahe Unschuldigem.
Während wir zuhören, wie Rebecca den Song mit dem Cello zersägt, ist er mucksmäuschenstill. Erst als es zu Ende ist, fragt er mit großen Augen: »Was war denn das?«
»Ein elektrisches Cello. Krass, oder?«
Er nickt. »Klang fast, als hätte das Cello den Text gesungen.«
»Genau. Man braucht nicht unbedingt eine menschliche Stimme, sondern kann das Instrument für sich singen lassen.«
»Und so was kannst du mir beibringen?«
»Kann ich. Wir werden erst mal mit einfacheren Sachen anfangen, und wenn du die draufhast, können wir was Schwierigeres probieren. Rebecca kommt sogar hier aus San Francisco, vielleicht gehen wir zusammen mit den anderen mal zu einem ihrer Konzerte.«
»Uuuh, das wär cool.«
Sein ungewohnt offener Gesichtsausdruck berührt mich und am liebsten würde ich ihn kurz drücken, aber irgendetwas sagt mir, dass Zander kein Junge ist, den man einfach mal in den Arm nimmt. Den Rest der Stunde verbringen wir damit, weitere Videos moderner Cellisten anzuschauen, und am Ende zeige ich ihm noch kurz ein paar Fingersätze, damit er zu Hause was vorzeigen kann und keinen Ärger kriegt. Es ist mit Abstand die angenehmste Stunde, die ich jemals mit ihm hatte, und es ist fast schade, dass sie so schnell vorbei ist.
Als ich meine Noten zusammensuche, steckt Herrn Steinbergs Assistentin den Kopf zur Tür herein. »Draußen wartet jemand auf dich«, sagt sie und mustert mich neugierig. »Wenn du meine Meinung hören willst, er sieht einfach umwerfend aus.«
Ich werde rot und weiche ihrem Blick aus. »Danke, bin gleich fertig.« Griffon ist früh dran. Auf dem Motorrad kann ich das Cello nicht mitnehmen, darum packe ich es ein und bringe es in Herrn Steinbergs Büro, wo es bis morgen sicher aufgehoben ist.
Mit einem breiten Lächeln
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