Fuer immer 2 - die Liebe
musst achtgeben, dass die Gefühle anderer sich nicht ungewollt auf dich übertragen.«
»Wie kann ich das vermeiden? Ich habe nicht den Eindruck, dass ich es wirklich beeinflussen kann.«
»Du musst lernen, es zu kontrollieren. Laut meinen Recherchen funktioniert es folgendermaßen: Empathen sind in der Lage, sich in das Magnetfeld, das durch neuronale Aktivität im Gehirn entsteht, einzuklinken, es sozusagen von innen zu scannen und dadurch zu erfahren, was in einer anderen Person vorgeht. Je empfänglicher du für diese Signale wirst, desto wichtiger ist es, dass du lernst, deine eigenen Emotionen zu blocken.«
»Ich glaube, meine Mom hält mich emotional gesehen eher für einen ziemlich hoffnungslosen Fall.« Sofort muss ich wieder an Griffon denken und kneife schnell die Augen zusammen, um sein Bild aus meinem Kopf zu vertreiben. »Manchmal wünschte ich, ich könnte ihr von all dem erzählen.« Ich denke daran, wie es war, als sie mich in den Arm genommen hat. »Plötzlich gibt es so vieles, das zwischen uns steht, so vieles, das ich ihr nicht sagen kann.«
»Wer weiß, vielleicht wirst du ja eines Tages mit ihr darüber sprechen können. Ich hab dir doch von Griffons Vater erzählt. Er bewahrt das Geheimnis schon seit fast zwanzig Jahren. Man muss gut überlegen, wem man es anvertrauen kann. Aber selbst wenn es ungewollt herauskommt, sind die Folgen nicht mehr so drastisch wie früher, als man noch Gefahr lief, deswegen als Hexe verbrannt zu werden.«
Davon hat Griffon mir erzählt, als wir das allererste Mal über das Akhet-Sein gesprochen haben. Der Akhet, der ihm in der Zeit seines Übergangs geholfen hat, wurde wegen Hexerei auf dem Scheiterhaufen verbrannt. »Wie geht’s Griffon?« Ehe ich mich beherrschen kann, ist mir die Frage rausgerutscht, und sofort könnte ich mir auf die Zunge beißen.
Janine lächelt. »Ihm geht’s gut. Ist ziemlich mit der Einrichtung des neuen Labors in South Bay beschäftigt.« Sie macht eine kleine Pause. »Vor Kurzem wurde er gebeten, bei einem Energie-Symposium einen Vortrag zu halten. Man kann ihn im Internet aufrufen. Das solltest du dir ansehen – es zeigt eine Seite von Griffon, die man sonst nicht so oft zu Gesicht bekommt.« Ich höre den Mutterstolz in ihrer Stimme und merke gleichzeitig, dass sie sich wirklich Mühe gibt, das Thema Griffon mir gegenüber neutral zu halten.
Sie sieht sich im Park um. »Wie wär’s, wenn wir uns da drüben unter den Baum setzen?«
Die Sonne knallt ziemlich heftig vom Himmel, darum setzen wir uns im Schatten des großen Mammutbaums auf den weichen Nadelteppich. In Gedanken versunken, beiße ich in meinen Apfel und schaue drei Frauen in bunten Saris nach, die drüben auf dem Weg vorüberschlendern. Ein Sari aus smaragdgrüner Seide umspielt den Körper der Frau, die in der Mitte geht, zarte, leuchtend grüne Seide …
Die Dunkelheit ist absolut und unerbittlich. Vielleicht stimmt es, was sie sagen, und ich werde mich eines Tages daran gewöhnen. Werde ich irgendwann vergessen, dass ich jemals sehen konnte? Werde ich nicht mehr wissen, wie das Gesicht meiner Mutter aussah oder der leuchtend grüne Sari, den sie am allerliebsten trägt? Wird es eines Tages in meinem Kopf genauso dunkel sein wie vor meinen nutzlos gewordenen Augen?
Ich rieche würzig-verlockenden Frühstücksduft und frage mich, wie spät es wohl sein mag. Im Nebenraum höre ich Mama und Papa leise miteinander sprechen. Sie denken, dass ich noch schlafe. Wenn ich mich ganz still verhalte, kann ich verstehen, was sie sagen.
»Wir haben keine Wahl«, flüstert Papa, »wir wollen doch nicht, dass Ramesh den Rest seines Lebens bettelnd auf der Straße verbringt.«
»Aber er ist doch noch ein Kind! Wie kannst du nur daran denken, ihn fortzuschicken, vor allem in seinem Zustand?«
Papa seufzt. Anscheinend führen sie diese Unterhaltung nicht zum ersten Mal. »Er ist kein Kind mehr, Hamsa, er ist jetzt fast zwölf. Und gerade wegen seines Zustands haben wir keine Wahl. In Indien gibt es keine Einrichtungen für blinde Kinder. Die besten Chancen auf eine Zukunft hat er, wenn er in England zur Schule geht. Dort werden sie ihm beibringen, mit den Fingern zu lesen und mit einem Stock den Weg zu ertasten.«
Sie schweigen eine Weile, und ich male mir aus, wie Papa Mamas Hand nimmt, damit er sie besser überzeugen kann.
»Mit den Fingern lesen? Ist das möglich?«
»Ja, ist es. Vikrams Cousin hat mir davon erzählt, er kennt jemanden, der es selbst gesehen hat. Der
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