Fuer immer 2 - die Liebe
Desinfektionsmittel benutzen. Die haben hier große Angst vor Infektionen.«
Sie drückt den Türsummer und die schweren Flügeltüren öffnen sich. Als sie sich leise wieder hinter uns schließen, ist es, als befänden wir uns in einer anderen Welt. Alles ist merkwürdig still und gedämpft hier drin, nur das Piepsen der Monitore und das leise, mechanische Schnaufen der Beatmungsgeräte ist zu hören. Selbst die Krankenschwestern scheinen lautlos hin und her zu schweben, während sie Schläuche kontrollieren und irgendwelche Daten in kleine, tragbare Geräte eintippen.
»Sie liegt ganz am Ende«, erklärt Raynes Mom. Wir gehen an mehreren durch Vorhänge abgeschirmten Betten vorbei, aber ich wage nicht, zur Seite zu sehen, sondern blicke stur geradeaus auf die Uhr am anderen Ende des Gangs, die kurz vor sechs zeigt. »Da wären wir«, sagt Raynes Mom in bemüht ungezwungenem Tonfall. Sie beugt sich herunter zu der reglosen Gestalt im Bett. »Rayne, sieh mal, wer da ist. Cole kommt dich besuchen, ist das nicht nett.«
»Du darfst sie ruhig berühren«, flüstert sie mir zu, »aber pass auf die Schläuche auf.«
Ich nicke bloß und kriege keinen Ton raus. Dass es Rayne ist, erkenne ich nur an ihren Haaren, alles andere sieht fremd und unwirklich aus. Ihr Körper liegt flach ausgestreckt auf der Matratze und in ihrem Mund steckt ein dicker Schlauch, der zu einem großen, eckigen Apparat gleich neben dem Bett führt. Er gibt ein rhythmisches Zischen von sich, während er Luft in ihre Lungen pumpt. Ihr Handrücken ist mit Pflastern bedeckt, unter denen sich dünnere Schläuche hervorschlängeln, die zu einer Reihe von Infusionsbeuteln an einem runden Ständer führen. Unter der Bettdecke gucken ebenfalls lauter Kabel und Schläuche heraus, die mit Apparaten zu beiden Seiten ihres Kopfes verbunden sind. An ihrem Zeigefinger steckt eine Klemme, an deren Ende ein roter Punkt leuchtet. Mir fällt auf, dass man ihren blauen Nagellack entfernt hat. Trotzdem sehen ihre Finger bläulich aus, so als wären sie eiskalt.
Raynes Mom ist meinem Blick gefolgt. »Sie beobachten die Farbe ihrer Finger«, flüstert sie. »Es gibt wohl Probleme mit der Blutzirkulation.« Sie schiebt den Vorhang ein Stück zur Seite. »Ich will noch kurz mit einer der Schwestern sprechen. Bin gleich wieder da.«
Sie lässt uns allein, und ich weiß, dass jetzt vielleicht meine einzige Chance ist. Ich atme tief ein, nehme Raynes kalte, reglose Hand, ganz vorsichtig, damit die Klemme nicht verrutscht oder die dünnen Schläuche, die unter dem Pflaster in ihrer Hand stecken, und schließe die Augen. Ich lasse meine Gedanken durch meinen Körper in ihren fließen und hoffe, dass sie nicht schon zu weit entfernt ist, um mich zu hören.
Rayne, alles ist gut. Ich bin hier, bei dir. Zeig mir, was los ist, dann kann ich dir helfen.
Ganz leicht drücke ich ihre Finger, doch ich spüre keinerlei Reaktion. Aus der Ferne dringt das Piepsen des Monitors in mein Bewusstsein. Ich schließe die Augen noch fester und fokussiere mich ganz auf Rayne. Ich halte den Atem an und warte gebannt, doch ich empfange nichts.
Ich öffne kurz die Augen und schaue mich um. Durch einen Schlitz im Vorhang sehe ich Raynes Mom, die immer noch mit der Krankenschwester spricht. Gleich wird sie zurückkommen, mir bleiben nur noch wenige Minuten. Ich betrachte die Linien auf den Monitoren, die sich rhythmisch auf und ab bewegen, und dann wieder Rayne, die völlig still daliegt – direkt vor mir und trotzdem so unendlich weit entfernt. Ich weiß, dass ich die Einzige bin, die zu ihr durchdringen kann, doch es will mir einfach nicht gelingen.
Noch einmal atme ich tief ein und versuche, alles andere um mich herum auszublenden. Ich kann Janines Stimme hören, die sagt, entspanne dich, lass alles andere los und fokussier dich. Ich schließe die Augen wieder und dirigiere meine Gedanken von meinem Kopf in meinen Brustkorb hinunter und weiter durch meine Arme, bis dorthin, wo Raynes und meine Hand sich berühren. Ich stelle mir vor, dass sich zwischen uns eine Art Verbindungskanal auftut, so wie Janine es mir beigebracht hat.
Und dann schwappt mir plötzlich eine Flut verwirrender Bilder entgegen.
… Kinder, die in wildem Galopp auf ungesattelten Pferden am Fuße eines schneebedeckten Berges entlangreiten, ihre langen schwarzen Haare flattern im Wind … Ein geschmückter Salon, wo Frauen in bodenlangen, bauschigen Kleidern sich im Tanz bei Männern in Wams und Strumpfhosen unterhaken,
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