Fuer immer 2 - die Liebe
ist, bevor die ersten Erinnerungen kommen, und natürlich kann ich das nur, wenn uns keiner zuhört.
Ich klopfe innen gegen den Türrahmen. »Rayne?«
»Hey, komm rein!«, ruft es durch den Vorhang. Ihre Stimme ist noch ein bisschen heiser vom Beatmungsschlauch, aber ansonsten scheint sie fast wieder die Alte zu sein.
»Wie geht’s dir?«, frage ich aufgeregt und nehme sie in die Arme. Dabei spüre ich ganz deutlich ihre Akhet-Schwingungen und bin ein wenig erleichtert, denn durch Janines Zweifel war ich trotz allem etwas verunsichert und habe mich gefragt, ob ich mich nicht vielleicht doch geirrt hatte.
»Tausendmal besser!«, lächelt sie. »Mir ist noch ein bisschen schummerig, darum bekomme ich was für den Kreislauf, aber überhaupt kein Vergleich zu vorher.«
»Das kannst du laut sagen.« Ich hole mir einen Stuhl und setze mich an ihr Bett. »Wir haben uns wirklich große Sorgen gemacht.«
Sie sieht mich ernst an und schweigt eine Weile. Im Zimmer ist es so still, dass ich jedes einzelne Geräusch draußen auf dem Gang hören kann. »Du musst mir alles erzählen«, sagt sie schließlich. »Griffon war hier, zusammen mit Peter, und hat sich ziemlich komisch benommen. Hat mich die ganze Zeit angestarrt und immer wieder seine Hand auf meinen Arm gelegt. Ich konnte nichts aus ihm rausbekommen, obwohl ich genau weiß, dass er irgendwas damit zu tun hatte, dass ich das Ganze heil überstanden habe.«
»Okay, warte.« Ich stehe auf, schließe die Tür und setze mich wieder neben sie. Ich schaue in ihr Gesicht, das aussieht wie immer, offen und freundlich, doch ich weiß, dass ihr Leben nie wieder dasselbe sein wird. Janine hat zwar gesagt, ich solle es niemandem erzählen, aber schließlich ist Rayne sozusagen die Hauptfigur in dieser Geschichte. Sie muss es auf jeden Fall erfahren. Also hole ich tief Luft und berichte ihr alles – alles, außer dass Veroniques verrückter Plan tatsächlich funktioniert hat und sie jetzt eine Akhet ist.
Rayne unterbricht mich nicht, sondern nickt nur dann und wann, so als würde ihr plötzlich dieses oder jenes klar werden. Als ich fertig bin, fragt sie mit Tränen in den Augen: »Und Veronique ist wirklich tot?«
»Ja.« Ich beschreibe ihr, was passiert ist, und erzähle von dem Bericht in den Spätnachrichten. Es gab mal eine Zeit, da habe ich Veronique so sehr gehasst, dass ich ihr den Tod an den Hals wünschte, doch jetzt fühle ich seltsamerweise gar nichts, nur eine große Leere. »Du solltest wegen ihr wirklich keine Tränen vergießen, Rayne, schließlich hätte sie dich fast umgebracht.«
»Ja, ich weiß«, schnieft sie, »aber ich weiß auch, dass sie das nicht gewollt hat. Sie hat das alles nur getan, weil sie Alessandra so sehr geliebt hat und glaubte, es gäbe vielleicht noch eine letzte Chance, wieder mit ihr zusammen zu sein.«
Alessandra.
Ich muss unbedingt herausfinden, ob Veronique recht hatte. Ich rücke ein Stück näher. »Da ist noch etwas.« Ich versuche, mir den Tag im Park ins Gedächtnis zu rufen, als Griffon mir erklärt hat, was es bedeutet, ein Akhet zu sein. Allerdings war ich zu diesem Zeitpunkt auch mehr oder weniger bereit dafür, weil ich schon seit einer Weile Erinnerungen hatte und eine Erklärung dafür suchte. Rayne hat von all dem noch keine Ahnung.
»Ist dir in letzter Zeit irgendetwas aufgefallen? Hat sich irgendetwas verändert?«
Rayne hat bereits den Mund aufgemacht, um mir zu antworten, als wir draußen auf dem Gang Schritte hören.
»Hallo! Schön, dich zu sehen!« Raynes Mom kommt hereingesegelt und stellt eine Tüte auf dem Nachttischchen ab. »Ich habe Rayne was aus dem El Balazo besorgt, aber es reicht bestimmt auch für euch zwei.« Sie mustert uns kurz. »Und weswegen habt ihr beide so geheimnisvoll die Köpfe zusammengesteckt?«
»Ach, wegen gar nichts«, sage ich und lehne mich in meinem Stuhl zurück. Rayne wirft mir einen fragenden Blick zu. »Wir können später darüber sprechen, war nicht so wichtig.« Vielleicht ist es sogar besser so, denn wenn ich es ihr erst einmal gesagt habe, gibt es kein Zurück mehr. Schon bald wird sich ihre Welt radikal verändern, und es kann ja nicht schaden, wenn ich ihr vorerst noch ein bisschen Normalität gönne.
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22
Ich wusste gar nicht, dass in Janines kleinem Büro so viele Leute Platz haben.
Das ist mein erster Gedanke, als ich die Tür öffne und lauter fremde Erwachsene vor mir sehe. »Oh, Entschuldigung!«, sage ich und werfe einen kurzen Blick auf die Uhr.
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