Für immer am Meer - Henry, V: Für immer am Meer
kaufte ihm sein Lieblingseis mit den beiden Waffeln in Form einer Muschel: ein kleiner Snack, der ihm nicht den Appetit aufs Mittagessen verdarb.
Adrian schloss die Augen und genoss den wunderbaren Moment. Morgen würde der Teufel los sein. Dann war sie die Seine oder auch nicht. Er betete, dass Serena die Kraft haben würde, für das zu kämpfen, was sie sich seit einem Jahr erträumten, aber er wusste auch, dass sie viel mehr zu verlieren hatte als er. Serena hatte einen Ehemann, zwei Kinder und ein Haus. Adrian hatte nur Spike. Und Spike bekam er auch nur geliehen, wenn seine Mutter es für angebracht hielt. Er hatte also nichts zu verlieren und alles zu gewinnen.
Nachdem Spike glücklich mit seinem Bart Simpson im Arm eingeschlafen war, schenkte Adrian seiner Mutter ein Glas Bourgogne Aligote ein und nahm sich selbst eine Flasche Peroni aus dem Kühlschrank.
Er wohnte mit Jane und Spike den Sommer über in der kleinen Strandhütte. Philip hatte für sich, Serena, Harry und Amelia ein Stück den Strand hinunter ebenfalls eine Hütte gemietet, und David und Chrissie würden am kommenden Nachmittag mit ihren drei Kindern anreisen, denn niemand wollte die Party verpassen, mit der am Wochenende das alljährliche Ende der Saison begangen wurde. Adrian kam es vor, als wäre es bis dahin noch eine Ewigkeit. Er wusste, dass er jetzt handeln musste, ehe sich alle wie jedes Jahr in die Partyvorbereitungshysterie hineinsteigerten und niemand mehr ansprechbar war.
Seine Mutter, fand er, sah wirklich gut aus. Den ganzen Sommer über hatte sie sehr entspannt gewirkt trotz ihres Verlusts – oder vielleicht auch gerade deswegen. Früher war sie immer völlig verspannt gewesen, ständig bemüht, Grahams Stimmungen vorauszusehen und ihn mit Samthandschuhen anzufassen. Adrian brauchte keinen Therapeuten, um herauszufinden, dass er in Serena eigentlich seine Mutter suchte. Beide Frauen waren mit starken, selbstsüchtigen Männern verheiratet, die sie wie Dreck behandelten. Adrian hatte immer versucht, seine Mutter vor seinem Vater zu beschützen, aber was konnte er schon ausrichten gegen den Psychoterror, der immer von ihm ausgegangen war, was konnte er tun, wenn er nicht einmal genau hätte sagen können, was sein Vater eigentlich getan hatte, und nur wusste, dass seine Mutter kreuzunglücklich war? Serena, die unter ähnlichen Bedingungen litt, konnte er wenigstens helfen, indem er sie von der Ursache ihres Unglücks trennte.
Adrian erinnerte sich noch an den Tag, an dem ihm klar geworden war, dass auch sie ihn liebte. Das war vor gut drei Jahren gewesen. Er hatte sie weinend hinter der Strandhütte angetroffen, wo sie immer die Neoprenanzüge zum Trocknen aufhängten.
»Serena, was ist denn passiert?«, hatte er gefragt, überrascht über seine eigenen Gefühle, das starke Bedürfnis, sie zu beschützen, den Drang, Philip, der das Unglück zweifellos heraufbeschworen hatte, eine zu verpassen.
»Ach, wir haben uns nur ein bisschen gestritten, Philip und ich«, versuchte sie ihn zu beruhigen, aber die Tränen flossen noch heftiger.
Er legte ihr einen Arm um die Schultern, und sie vergrub ihr Gesicht an seiner Brust. So hätte er eine Ewigkeit stehen bleiben können.
Damals konnte sie ihm noch nicht ihr Herz ausschütten. Er wusste, erst würde er ihr Vertrauen gewinnen müssen. Deshalb drang er nicht weiter in sie, sondern hielt sie einfach nur im Arm. Und als Serenas Tränen schließlich irgendwann versiegten, sagte er ihr, er wolle eine kleine Spritztour mit dem Motorschlauchboot machen, das die Familie vor einigen Jahren angeschafft hatte und das in einem Bootshaus am Ende der Bucht gelagert wurde.
»Hättest du Lust mitzukommen?«, fragte er. »Bringt dich bestimmt auf andere Gedanken! Mum kümmert sich um Spike. Ich hab ihr gesagt, ich würde eine Weile weg sein, weil ich mir das Boot mal gründlich ansehen will.«
Sie nickte schniefend, knüllte ihr Taschentuch zusammen und stopfte es in ihre Hosentasche. »Gute Idee.« Dann runzelte sie die Stirn. »Vielleicht sollte ich aber zuerst Philip fragen.«
»Warum?«, fragte Adrian. »Du bist doch eine erwachsene Frau. Und Harry und Amelia sind groß genug, um auf sich selbst aufzupassen. Wo ist das Problem?«
Sie überlegte einen Moment, dann nickte sie. »Du hast recht«, sagte sie und folgte ihm zu seinem alten, zerbeulten Mitsubishi. Er baute Spikes Kindersitz aus, um Platz für sie zu machen. Als sie endlich neben ihm im Auto saß, konnte er gar nicht fassen, dass
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