Für immer am Meer - Henry, V: Für immer am Meer
er es wirklich geschafft hatte, sie zu entführen. Ihr Duft war stärker als der Gestank des überquellenden Aschenbechers und der offenen Tüte Chips auf dem Armaturenbrett.
»Was riecht hier so gut?«, fragte er sie, und als sie ihn verblüfft ansah, fügte er hinzu: »Ist das dein Parfum?«
Sie lachte. » Coco . Von Chanel.«
» Coco …«, murmelte Adrian versonnen.
Als er wenige Tage später wieder zu Hause war, fuhr er direkt ins nahe gelegene Bath in ein großes Drogeriegeschäft und bat die Verkäuferin am Chanel-Tresen um ein Pröbchen. Vielleicht war es ja pervers, an Serenas Parfum zu schnuppern, bevor er sich schlafen legte, aber er fand es seltsam tröstlich.
Sie fuhren mit dem Bootsanhänger zu einer Slipanlage, wo sie das Boot leicht zu zweit zu Wasser lassen konnten. Adrian liebte das Boot, es war wendig und leistungsstark. Er gab Gas, und sie jagten über das Wasser. Es war berauschend, aber auch gefährlich – sie brauchten nur eine Welle im falschen Winkel zu nehmen, und das Boot würde kentern –, aber Adrian wusste, was er tat. Außerdem brauchte er das Adrenalin, das von dem wahren Grund ablenkte, der sein Herz rasen ließ. Er legte an einem kleinen Strand an, an dem die Familie gern picknickte. Sie stiegen aus und ließen sich lachend in den Sand fallen. Dann wurden sie ernst und sahen einander an.
»Mist«, sagte Adrian.
»Wie bitte?«, fragte Serena verdattert.
So hatte es angefangen. Sie hatten sich bemüht, der Versuchung zu widerstehen, aber sie war stärker gewesen. Es fühlte sich so gut und richtig an, wenn sie zusammen waren. Natürlich war das Ganze auch so sicher wie Dynamit. Man konnte keine Affäre mit der Frau seines Bruders haben und Funkenflug vermeiden. Und Serena verging vor Schuldgefühlen. Er hielt sie in den Armen, während sie untröstlich schluchzte.
»Das ist unrecht, was wir tun«, jammerte sie.
»Wir haben doch gar nichts Unrechtes getan«, versuchte Adrian sie zu beruhigen.
»Aber wir wollen es«, hatte sie entgegnet und geweint, bis sein Hemd von Tränen durchnässt war.
Adrian trank einen Schluck Bier. Er hatte vor lauter Nervosität einen ganz trockenen Mund. Jedes Mal, wenn er den Mund aufmachen wollte, verließ ihn der Mut, und er suchte sich irgendetwas zu tun. Öffnete eine Schachtel Erdnüsse. Räumte Spikes Legosteine auf. Dann dachte er daran, dass Serena vielleicht gerade mit Philip redete, und das spornte ihn an. Er hatte bei Weitem den leichteren Part.
»Mum, hast du mal einen Moment Zeit?«
Jane blickte von der Times auf und lächelte.
Adrian zögerte erneut. Sie war in letzter Zeit so entspannt gewesen, ihre Augen leuchteten, und sie wirkte jünger, als sie eigentlich war. Er wollte nicht derjenige sein, der sie wieder herunterzog, aber er konnte auch nicht ewig schweigen.
»Ich muss dir etwas sagen. Etwas Wichtiges. Etwas, das dich wahrscheinlich schockieren wird.«
Jane ließ die Zeitung sinken. »Es geht doch nicht um Donna?«, fragte sie. »Sie wandert doch nicht mit Spike nach Australien aus, oder?«
»Nein, Mum. Nein, es geht um etwas ganz anderes.«
»Na, Gott sei Dank.«
Adrian hatte gar nicht daran gedacht, dass seine Mutter so einen Schluss ziehen würde. Andererseits war es auch kein Wunder, denn Donna stieß dauernd irgendwelche leeren Drohungen aus.
Donna war für ihn das Gegengift zu Serena gewesen. Adrian hatte sich vor sieben Jahren Hals über Kopf in sie ver liebt, ein rothaariges Rasseweib. Sie besaß eine Edelboutique in Frome, wo er wohnte. Sie war ihm exotisch, ätherisch, faszinierend erschienen. Als ihm endlich klar geworden war, dass sie stattdessen völlig überdreht, egozentrisch und von Wahnideen besessen war, war sie bereits schwanger gewesen. Er hatte diese Frau schon damals nicht länger ertragen können, sich aber nicht vor der Verantwortung für das Kind drücken wollen. Monatelang quälte sie ihn mit der Drohung, sie würde das Kind abtreiben lassen, oder sie habe es bereits abgetrieben oder er sei gar nicht der Vater. Als Spike geboren wurde, hatte Adrian begriffen, dass Donna manisch-depressiv war, und er war fest entschlossen, alles zu tun, was in seiner Macht stand, um seinen Sohn zu schützen. Aber Donna machte es ihm nicht leicht. Und dann hatten seine Eltern ihm diese kleine Wohnung gekauft, damit er, wenn er Spike zu sich nehmen durfte, wenigstens einen Platz hatte, wo er sich mit ihm aufhalten konnte. Seit Spike auf der Welt war, lebten die Miltons in der anhaltenden Angst, dass Donna dem
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