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Für immer am Meer - Henry, V: Für immer am Meer

Für immer am Meer - Henry, V: Für immer am Meer

Titel: Für immer am Meer - Henry, V: Für immer am Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Henry
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junge Frau mit glänzenden langen Haaren in einem karierten Kleid bat sie, sich ins Gästebuch einzutragen, dann führte sie sie durch ein Labyrinth von Fluren zu einem Salon. Die Wände waren im selben Dunkelblau gestrichen wie die Tür und von Bücherregalen bedeckt, und um Kaffeetische waren kleine Sofas und Sessel gruppiert.
    Er saß in einer Ecke. Sie war erstaunt, wie klein er war. Früher hatte er fast jeden überragt, während er jetzt winzig wirkte, wie geschrumpft.
    Seine Augen waren noch dieselben. Verschleiert, in sein Gesicht gebrannt. Nur dass die Schatten darunter von einem ungesunden Gelb waren.
    Sie bestellte einen Drink bei der jungen Frau und nahm in einem Sessel ihm gegenüber Platz.
    »Jane!«
    Jahrelang hatte sie sich diesen Augenblick herbeigewünscht. Dass er ihren Namen aussprach. Doch jetzt ließ es sie kalt. Sie legte das Manuskript auf den Tisch zwischen ihnen.
    Er betrachtete es eine geraume Weile, bevor er etwas sagte. Er nahm es in die Hand und blätterte die Seiten um. Er brauchte sie nicht zu zählen, um zu wissen, dass sie alle da waren. Er hob den Blick und sah sie mit diesen Augen an, in denen sie einst hätte ertrinken können. Von denen sie so oft in ihrem Leben geträumt hatte.
    Und lachte.
    Sie musterte ihn kühl. »Du hast wirklich keine Ahnung, was du mir damals angetan hast, nicht wahr?«, fragte sie. »Ich habe dich geliebt. Ich konnte keinen anderen Mann mehr lieben. Aber du hast wahrscheinlich nie wieder einen Gedanken an mich verschwendet.«
    »Natürlich habe ich das«, entgegnete er verblüffend vehement. »Du weißt doch überhaupt nicht, was ich empfunden habe.«
    »Wie sollte ich auch? Du hast es mir ja nie gesagt.«
    Er streckte eine gichtige Hand aus, zog sein Glas zu sich heran und sah nachdenklich hinein. »Du bist noch gut da vongekommen.« Er ließ die Flüssikeit kreisen, sodass die Eiswürfel gegen das Glas klimperten. »Ich habe in meinem ganzen Leben nie jemanden glücklich gemacht. Ich konnte es nicht. Und schon gar nicht mich selbst.« Er trank einen kräftigen Schluck. »Ich bin ein törichter, schwacher, alberner, egoistischer alter Mann. Den die Jugend von heute als Penner bezeichnen würde.«
    »Ja«, sagte Jane. »Ich weiß.«
    Und plötzlich wusste sie es wirklich. Er hatte recht. Er hätte sie nie glücklich gemacht. Nicht in einer Million Jahren! Sie wäre nur der Trittstein zur nächsten Affäre gewesen, zur nächsten Frau, die sein verdorbenes, narzisstisches Ego genährt hätte.
    »Es ist dein bestes Buch«, sagte sie. »Und ich habe sie alle gelesen.«
    »Stimmt wohl«, räumte er ein. »Ich wollte erst gar nichts mehr schreiben, nachdem das Manuskript verloren war. Natürlich habe ich es doch getan. Ich wusste nicht, wie ich sonst meine Brötchen verdienen sollte.«
    Seine Brötchen? Er war doch Multimillionär, das hatte sie gelesen. Die Leute verschlangen die trivialen Actionthriller geradezu, auf die er sich verlegt hatte. Die Art Bücher, die sie anfangs von ihm erwartet hatte. Oberflächlich, gut verkäuflich, überall zu finden: in hohen Stapeln in Supermärkten und in den Buchläden in Flughäfen. Zu Papier gebrachter Zucker, der einem das Gehirn verklebte.
    »Bist du glücklich geworden?«
    »Nein.« Ihre Antwort kam sofort.
    Er sog die Luft ein und begann zu husten. Der Anfall schien eine Ewigkeit zu dauern. Er schüttelte seinen ganzen Körper, bei jedem Krampf verzerrte sich sein Gesicht vor Schmerz, als wären es Messerstiche. Als es vorüber war, ließ er sich erschöpft in seinen Sessel sinken.
    »Soll ich dir irgendetwas bestellen?«, fragte Jane, aber er schüttelte den Kopf.
    Er war unglaublich still. Einen Augenblick lang fragte sie sich, ob er tot war. Aber sie sah, wie sich seine Brust hob und senkte, und er schien sanft zu schlafen. Sie wollte ihn nicht stören. Außerdem hatte sie ihm nichts mehr zu sagen. Alles war gesagt worden.
    Sie ging zu der jungen Frau an der Rezeption, um ihren Teil der Rechnung zu begleichen, aber die Frau gab ihr keine Chance. Mr. Shaw werde nichts davon wissen wollen, da sei sie sich ganz sicher.
    Sie hatte nicht vor, Zeit mit einer Auseinandersetzung zu vergeuden. Sollte er doch ihren Gin Tonic bezahlen. Er schuldete ihr erheblich mehr als das. Er schuldete ihr ein ganzes Leben.
    Sie ging hinaus in die sonnigen Straßen von Soho. Das Licht war merkwürdig grell nach der düsteren Atmosphäre in dem Klub. Es war völlig unangemessen. Es passte nicht zu ihrer finsteren Stimmung. Sie winkte

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