Für immer am Meer - Henry, V: Für immer am Meer
nicht etwas Besseres verdient als diese stumpfsinnige Plackerei?
Aber jetzt hatte er keine Zeit, in Selbstmitleid zu versinken. Er machte sich auf den Weg über den Strand, die Jacke gegen den Wind fest um sich gezogen. Wenige Meter bevor er das Wasser erreichte, blieb er stehen.
Sie stand barfuß im seichten Wasser. In den Händen hielt sie eine kleine Dose. Sie schaute zum Horizont hinaus, der dunkelblaue Himmel über ihr war mit Sternen gesprenkelt. Noch bis hierher war ganz leise die Musik zu hören. Und in diesem Augenblick begriff Steven, weswegen sie hergekommen war. Er verhielt sich ganz still und schwieg respektvoll. Als sie diese letzte Aufgabe erfüllte, den Akt, der das Ende einer wunderbaren Ehe symbolisierte, begriff er, wie sehr die beiden sich geliebt hatten.
Schließlich drehte Marisa sich um und machte sich auf den Rückweg, die leere Urne in den Händen. Als sie an Steve vorbeiging, lächelte sie ihn an. »Er hätte es so gewollt«, sagte sie.
Die Asche glitzerte auf dem Wasser, als die Wellen Ludo Miller sanft ins Meer hinaustrugen.
8
Hohe Brandung
Es hatte schon immer festgestanden, dass Dan und Kirsty in Everdene heiraten würden. Schließlich hatten sie sich dort am Strand kennengelernt, und sie verbrachten jedes freie Wochenende dort, setzten sich Freitagabend ins Auto und rasten mit Vollgas über die Autobahn.
Mit ihren langen blonden Haaren – ihre wa ren etwas länger als seine –, ihrer ganzjährigen Sonnenbräune und den schlanken, muskulösen Gliedmaßen entsprachen sie dem Bild des typischen Surferpärchens. Die Hochzeit würde im Sands Hotel stattfinden, und als Jenna erfahren hatte, dass das Hotel auch zwei Strandhütten besaß, lag es auf der Hand, eine davon für die Hochzeitsnacht zu mieten. Und jetzt, als am Tag der Hochzeit die Morgendämmerung rosa und hoffnungsvoll heraufzog, war sie hier, um einer bereits perfekten Kulisse den letzten Schliff zu geben.
Als altgediente Brautjungfer hatte Jenna jede Menge Erfahrung darin, Hochzeiten zu gestalten. Schließlich war ihr diese Ehre nun schon zum fünften Mal zuteil geworden. Wahrscheinlich sollte sie froh sein, dass sie so viele Freunde hatte, die sie dermaßen schätzten, aber allmählich ging der Reiz verloren. Und sollte sie noch einmal jemanden über »die ewige Brautjungfer, die selbst nie Braut wird« reden hören, würde sie für nichts garantieren können.
Jenna hatte sich längst damit abgefunden, dass sie nicht der Typ Frau war, auf den die Männer flogen. Ganz im Gegen satz zu Kirsty. Kirsty war der Grund, warum Tiffany Diamant ringe herstellte, warum Bollinger Champagner machte, eine Frau, die mehr als genug Heiratsanträge in ihrem Leben bekommen hatte.
Nicht, dass die Männer nichts für Jenna übrig hatten. Nein, sie strömten ihr in Scharen zu, glotzten ihr in den Ausschnitt, befummelten ihren Arsch, gingen mit ihr ins Bett. Aber keiner machte ihr je einen Heiratsantrag.
Was, fragte sie sich, machte sie falsch? Sie war intelligent, hatte Geld, war attraktiv und gesellig. Sie war weder besonders bedürftig noch extrem anspruchsvoll. Was konnte sie tun, um zu einer Heiratskandidatin zu werden? Was hatte Kirsty an sich, dass die heiratswilligen Männer sich um sie rissen und sie jetzt mit ihrem Auserwählten zum Altar schreiten konnte?
Wahrscheinlich umgab Kirsty etwas Geheimnisvolles, vermutete Jenna. Kirsty wirkte irgendwie unnahbar, nicht übertrieben mitteilungsbedürftig. Sie, Jenna, war dagegen offen und extrovertiert, und daran würde sich wohl so schnell auch nichts ändern.
Sie seufzte. Heute war nicht der richtige Tag, um sich darüber den Kopf zu zerbrechen. Sie musste mit den Vorbereitungen fertig werden, dann musste sie sich umziehen und zurechtmachen und sich anschließend vergewissern, dass Kirsty alles im Griff hatte. Was höchstwahrscheinlich der Fall sein würde. Bei Kirsty ging nie etwas schief. Sie wandelte einfach auf der Sonnenseite des Lebens. Wie im Märchen tat sich bei ihr alles wie von selbst. Heute zum Beispiel würde es eine Traumhochzeit geben.
Jenna warf einen letzten Blick in die Strandhütte. Das niedrige, schneeweiß bezogene Bett, auf dem sich spitzenbesetzte Kissen türmten, war mit roten Rosenblütenblättern übersät. Neben dem Bett standen ein Sektkübel und zwei langstielige Gläser. An der Decke hingen Lichterketten, Duftkerzen standen zum Anzünden bereit. Kurz bevor das frisch vermählte Paar sich zurückzog, würde Jenna noch einmal herkommen, die Kerzen
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