Für immer am Meer - Henry, V: Für immer am Meer
der Junggesellenparty mit meinem zukünf tigen Mann geschlafen hat«, sagte Kirsty kühl. »Ich weiß nicht, was ich jetzt machen soll, Liam! In einer halben Stunde kommen hundertfünfzig Gäste hier an. In zehn Minuten soll ich meine Eltern begrüßen. Ganz schlechtes Timing, was? Und ich habe nichts übrig für Dramen! Ich habe keine Lust, eine Szene zu machen.«
Das stimmte. Kirsty war weiß Gott keine Dramatikerin. Nicht wie diese verdammte Jenna. Warum zum Teufel hatte sie ihren Mund nicht halten können? Welche Frau ließ denn am Hochzeitstag ihrer besten Freundin eine solche Bombe platzen? Wahrscheinlich eine, die kreuzunglücklich war, dachte Liam. Eine eifersüchtige, missgünstige, verbitterte Frau mit niedriger Hemmschwelle und lockeren Moralvorstellungen. Eine Frau, die sich von der Vollkommenheit ihrer Freundin bedroht fühlt, die unzufrieden mit ihrem eigenen Schicksal ist.
Aber das war der falsche Zeitpunkt, um sich über Jennas Beweggründe Gedanken zu machen. Als Trauzeuge musste Liam zuerst mal dafür sorgen, dass die Braut seines besten Freundes überhaupt am Traualtar erschien.
»Kirsty, hör mir zu, wir waren alle sturzbetrunken! Keiner von uns wusste mehr, was er tat. Wenn Dan mit Jenna gevögelt hat, kann er sich wahrscheinlich nicht mal daran erinnern! Damit will ich nicht sagen, dass das in Ordnung war, Kirsty. Und vielleicht hätte ich es verhindern müssen. Aber es hat überhaupt keine Bedeutung, da bin ich mir sicher!«
Kirsty seufzte. »Soll ich dir mal was sagen? Das weiß ich.«
»Es war nur …«
»Sag jetzt bitte nicht, es war nur ein Fick. Wir reden über meine beste Freundin und meinen Verlobten. Zwei Menschen, die mich eigentlich lieben müssten, anstatt mich zu betrügen.«
Liam fluchte innerlich. Vor seinem geistigen Auge spielte sich die ganze Szene noch einmal ab. Er sah die Entschlossenheit in Jennas Blick, sah, wie sie es auf Dan abgesehen hatte und den ganzen Abend nicht von seiner Seite gewichen war. Ihre Hand auf seinem Arm, ihr Arm um seinen Hals, ihre Lippen auf seinem Mund. Dann saß sie auf seinem Schoß. Liam hatte sich mit den anderen amüsiert, hatte beschlossen wegzusehen, obwohl eigentlich klar war, wo das hinführen würde. Jennas Absichten waren eindeutig, und Dan – Dan hatte die Aufmerksamkeit genossen. Jenna hatte es drauf, Männer anzumachen. Damit wollte er Dan nicht entschuldigen. Der hatte in seinem Zustand wahrscheinlich gedacht, was soll’s, die letzte Nacht in Freiheit …
Am nächsten Tag hatte Dan dann heftige Schuldgefühle gehabt, das wusste er. Auf dem Golfplatz war er sehr schweig sam gewesen, wahrscheinlich nicht nur von einem schlim men Kater, sondern auch von Reue geplagt. Liam hätte nicht mit ihm tauschen wollen, aber irgendwie fühlte er sich auch mitverantwortlich. Als Dans bester Freund hätte er vielleicht lieber ein Paintballspiel organisieren sollen anstatt ein Besäufnis, bei dem der Ärger vorprogrammiert war. Jenna hatte behauptet, es sei Zufall gewesen, dass sie ausgerechnet an diesem Wochenende mit ein paar Freundinnen nach Everdene gekommen war, aber wenn er es sich recht überlegte, konnte er sich nicht erinnern, diese Freundinnen irgendwo gesehen zu haben.
Liam sah Kirsty an. Was er jetzt sagte, würde darüber entscheiden, was als Nächstes passierte, das war ihm klar. Und er hatte nicht viel Zeit zum Nachdenken.
Er mochte Kirsty. Wirklich. Aber er wusste, dass sie eine unverbesserliche Perfektionistin war. Sie wollte immer, dass alles nach ihren Vorstellungen ablief, und erwartete von allen, dass sie nur ja ihren Ansprüchen genügten. Im Allgemeinen wurde Dan diesen auch gerecht, aber offenbar hatte er eine Schwachstelle. Würde diese Schwachstelle sein Ver derben einleiten? War er dazu verdammt, mit seinem schlechten Gewissen ein Leben lang nach Kirstys Pfeife zu tanzen? Oder sollte er im Lichte dessen, was passiert war, lieber schleunigst die Flucht ergreifen? Vielleicht wäre Dan besser dran mit einer Frau wie Jenna, einer, die entspannter war und nicht so viele Forderungen stellte?
Nein, dachte Liam, kein Paar passte perfekt zusammen. Es gab keine Beziehung ohne Kompromisse. Dan brauchte eine Frau wie Kirsty, die seine wilde Seite zähmte, die ihn in die nächste Lebensphase begleitete. Eine Jenna würde ihn mit sich in den Abgrund ziehen. Dan würde ewig in den Zwanzigern hängen bleiben. Und Kirsty, so fordernd sie auch sein mochte, war in Ordnung. Sie hatte den gut aussehenden, charmanten Dan verdient,
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