Für immer, Dein Dad
romantischere Hintergrundmusik als die Titelmelodie der Hitparade. Rückblickend war es vermutlich nicht mein bester Kuss, aber es war, im Greisenalter von siebzehn Jahren, mein erster.
Danach wusste ich nicht, was ich sagen sollte. O Gott, ich hatte gerade den Bruder meiner besten Freundin geküsst!
«Noch ein Bier?», erkundigte sich Corey ganz unaufgeregt.
Also tranken wir an diesem Abend Bier, sahen uns eine Serie im Fernsehen an, und als um neun Uhr Coreys Eltern nach Hause kamen, versteckten wir schnell die leeren Bierdosen.
Dad hatte unter «Verschiedenes» etwas über Küsse geschrieben, und sobald ich wieder zu Hause war, blätterte ich hastig zur richtigen Seite. Ich war völlig durcheinander.
Verschiedenes: Dein erster richtiger Kuss
Ich konnte mich nicht entscheiden, in welchem Zusammenhang dieses Thema am besten passt, also habe ich beschlossen, es unter «Verschiedenes» zu mischen (wenn es nach mir ginge, würde ich diesen Abschnitt ohnehin am liebsten ganzweglassen, weil mir die Vorstellung, dass Dich irgendein Kerl küsst, überhaupt nicht gefällt). Aber wenn mein Traum wahr werden soll, dass Du Kinder hast und mit Deiner Familie alt wirst, lässt sich das Küssen wohl kaum vermeiden.
Alsooo. (Erst nochmal tief Luft holen.)
Dein erster Kuss.
Vielleicht hast Du ihn gerade erlebt, oder es wird bald so weit sein. Ich kann Dir dazu nur sagen, dass es nicht besonders toll ist. Die gute Nachricht ist, dass es mit zunehmender Übung eindeutig besser wird. Zuerst stößt man mit den Zähnen zusammen und presst die Lippen aufeinander, bis es fast wehtut. Außerdem bekommt man Mundgeruch-Paranoia. Na ja, so war es jedenfalls bei mir. Bei Dir könnte es genauso gut einfach himmlisch werden. Wie bei Aschenbrödel und ihrem Prinzen.
Vergiss nicht, es zu genießen … aber bitte nicht zu sehr!
Und das hatte ich getan.
Ich lächelte und betrachtete Dads Foto, das von meinem Nachttisch aus zurücklächelte. Fast war es mir peinlich, ihn anzusehen, wo ich doch jetzt, was das Küssen anging, endlich keine Jungfrau mehr war.
Ich beschloss, Carla nichts davon zu erzählen. Corey und ich warteten immer, bis sie aus dem Zimmer war, ehe wir uns schnell heimlich küssten. Einmal hielten wir sogar beim Essen unter dem Tisch Händchen, während Carlas Mutter von dem tollen Kleid erzählte, das sie sich kaufen wollte. Es war unheimlich aufregend, und langsam fing ich an, all den Liebeskitsch aus den Songs zu glauben. Aber dann, wenn ich wieder zu Hause war, kamen mir wieder Zweifel. Ich setzte mich zu meinem einäugigen Teddy aufs Bett und überlegte, wie es gekommen war, dass ich inzwischen auf so ANDEREArt an Corey dachte. Ich kannte ihn schon fast mein ganzes Leben lang, und er war für mich nie etwas anderes gewesen als der nervige ältere Bruder meiner besten Freundin. Jetzt war alles so komisch. Schön, erschreckend, verrückt und aufregend. Aber meistens schön.
«Seit wann bist du eigentlich schon in mich verliebt?», fragte mich Corey einmal, als wir das Abendessen für die Familie aus Lanes Fish Bar holten.
«Ich war überhaupt nie in dich verliebt!», widersprach ich.
«Was? Nie?»
«Du willst doch nur dein Ego bestätigen.»
«Na und?»
«Dafür musst du dir jemand anderen suchen.»
Ein Schauer durchfuhr mich, als er nach meiner Hand griff. «Komm schon, Lolli!»
Mit gespielter Entrüstung zog ich meine Hand zurück. «Dann erzähle ich allen von uns», sagte er.
«Aber nicht heute, oder?» Ich war noch nicht bereit dafür, dass alle über «uns» Bescheid wussten. Genau wie das kleine grüne Notizbuch wollte ich diese Sache ganz für mich allein haben. Und das sollte möglichst lange so bleiben. Ich hatte Angst davor, dass sonst irgendetwas schiefgehen könnte.
An einem Nachmittag, an dem Carla mit Antoine eislaufen war, hatten Corey und ich uns auf dem Wohnzimmersofa vor dem Fernseher zusammengekuschelt.
«Hallo, ihr beiden!», ertönte es da plötzlich. Carlas Mutter stand mit einem breiten Grinsen vor uns.
Corey und ich fuhren auseinander.
«Mum!»
«Nur die Ruhe. Ich weiß schon lange, dass zwischen euchwas läuft», sagte sie und stellte ihre paillettenbesetzte Handtasche auf das Sofa, das noch ganz warm von unseren Körpern war. «Dein Dad und ich sind schließlich weder blind noch taub.»
Ich lächelte unsicher. Irgendwie erleichterte es mich, dass ich Carla jetzt alles erzählen konnte. Ich hoffte, sie würde es genauso gut aufnehmen wie ihre Mutter. Ich war in
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