Für immer, Dein Dad
sie und nahm den ersten Bissen. Ich hatte gehofft, das Thema hätte sich in der Zwischenzeit erledigt, aber der Alkohol schien sie nur noch anzustacheln. Ich schüttelte nur den Kopf und schwieg.
«Ich habe jemanden kennengelernt», sagte sie mit einem Mal.
«Was macht er?»
«Er ist Anlageberater, stell dir das mal vor! Und außerdemist Rob die Liebe meines Lebens … hoffe ich wenigstens. Hast du dich nicht gefragt, weshalb ich mir hier noch keinen hübschen Spanier an Land gezogen habe? Es klingt komisch, aber immer wenn ich Rob sehe, überfällt mich schlagartig dieses Bedürfnis …»
«Ihn flachzulegen?»
Sie kicherte.
«Ihn zu heiraten und Kinder zu bekommen.»
«Ist das alles, was du vom Leben willst?»
«Warum? Stimmt daran etwas nicht?»
«Nein, aber du bist noch so jung.»
«Das sagt gerade die Richtige. Als ob ausgerechnet du dich deinem Alter entsprechend verhalten würdest!»
Darauf ging ich gar nicht erst ein. «Und wie wär’s, wenn du dir einen Job suchst?»
«Ich habe schließlich den Job in diesem Dessous-Laden in der Oxford Street. Na ja, ich
hatte
ihn jedenfalls … Aber das ist mir nicht wichtig.»
Das zeigte ein weiteres Mal, wie unterschiedlich wir waren. Ich platzte fast vor Ehrgeiz und wollte es in meinem Job unbedingt so weit bringen wie möglich. Carlas einziger Wunsch hingegen schien darin zu bestehen, einer eigenen Familie den Haushalt zu führen.
«Los, trink aus, damit wir uns einen neuen Cocktail holen können!», sagte ich mit falschem Enthusiasmus.
Der Rest unseres Aufenthaltes verlief sehr harmonisch. Wir legten uns an den Strand und gingen zwischendurch sogar in den Zoo von Barcelona. Viel zu schnell war ich wieder zurück in England und hatte ein paar wichtige Entscheidungen zu treffen.
Mr. Purvadis hatte mir freundlicherweise drei MonateZeit gegeben, um zu überlegen, ob ich die Wohnung selbst kaufen wollte. Danach würde er sie in die Zeitung setzen. Auf der Suche nach einem Rat blätterte ich durch die Abteilung «Verschiedenes» im
Leitfaden
. Irgendwie blieb ich an dem Thema
Risiken
hängen.
Trau dich. Geh ab und zu ein Risiko ein. Nichts Lebensgefährliches natürlich, aber wenn es um Risiken geht, die Dich Deinen Zielen und Deiner Vorstellung von Dir selbst näherbringen, kannst Du sie ruhig eingehen. Verstehst Du, was ich meine? Womöglich nicht. Also ein Beispiel. Nein, doch lieber nicht. Sorry. Weißt Du, ich bin immer lieber auf der sicheren Seite geblieben, und Du siehst ja, wohin mich das geführt hat. Ich wünschte so, ich wäre ein paar kleine Risiken eingegangen. Ich kann Dir nicht sagen, worum es dabei ging, Lois, denn es ist einfach zu schmerzlich, es aufzuschreiben. Nochmal sorry, Kleine, ich habe heute vermutlich einen schlechten Tag.
Mein Dad hatte offenkundig ein Tief gehabt, als er das geschrieben hatte. Sein Bedauern stieg fast greifbar von den Seiten zu mir auf. Ich musste mich entscheiden – ich durfte meinen Dad nicht enttäuschen – ich wusste nur nicht, wie ich mich entscheiden sollte.
Selbst bei der Arbeit wurde ich dieses nagende Gefühl nicht los. Nicht einmal die neueste von Keithos abenteuerlichen Identitäten, die er sich regelmäßig für seine Chatroom-Besuche zulegte, um das Blaue vom Himmel herunterzulügen, konnte mich aufheitern. Es dauerte länger als eine Woche, bis mir beim Mittagessen in der Kantine klar wurde, was ich zu tun hatte.
Ich würde Mr. Purvadis meine Wohnung abkaufen.
Ich würde ein Risiko eingehen.
Zwar erzählte mir Carla ungefähr tausend Mal, wie blödsinnig es wäre, mir eine solche Verpflichtung aufzuhalsen, aber ich fühlte mich mit meiner Entscheidung wohl. Sogar Bingo-Mann mahnte zur Vorsicht und erinnerte mich an die verheerende Immobilienkrise von 1980. Aber ich fühlte mich zum ersten Mal in meinem Leben dort, wo ich wohnte, richtig zu Hause. Und wenn ich bei dieser Aktion Geld verlieren würde, dann war es eben so. Abgesehen davon klang mir einer von Dads Ratschlägen in den Ohren.
Versuche Dich nicht von anderer Leute Meinung beeinflussen zu lassen.
Schließlich brauchte ich ein Zuhause …
«Ich würde mir nie eine Wohnung kaufen», konstatierte Jamie und feilte ungerührt ihre Fingernägel weiter, während das Telefon auf ihrem Schreibtisch klingelte.
«Ich auch nicht!», stimmte Keitho ein. Im gleichen Moment kam Matt ins Zimmer zurück.
«Hör nicht auf sie, Lois. Keitho hat eine Nomadenseele und Jamie wartet einfach, bis ihr
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