Für immer Dein
darum gekümmert, dass er sicher und ohne Aufsehen zu erregen dort ankam, wo er hinsollte. Beim Antwortschreiben war es das Gleiche. Als Joselyne von einem späten Spaziergang, der wirklich ziemlich spät geworden war, da sie von ein paar Kindern aufgehalten worden war, die sie dazu verdonnert hatten, ihnen zu zeigen, wo nun die Sonne unterging und der Mond auftauchte, hatte ihr Winfridia dann den Brief im Vorbeigehen zugesteckt. In eine Ecke gedrängt, da sie es vor Neugier nicht mehr länger aushielt, las sie ihn dann.
Diese gerade Schrift ihres Bruders tat gut. Vor allem im Vergleich mit Thomas´ aggressiver Handschrift zuvor.
Liebe Joselyne,
danke für deine schnelle Antwort. Nun ist es jedoch bereits geschehen – Iris ist gestorben. Mit ihr unsere Hoffnung auf ein glückliches Ende.
Dein Angebot, zu dir nach Dover Castle zu kommen, scheint mir das einzig Richtige zu sein, was ich nun für unsere kleine Fiona noch tun kann.
Wir werden bereits morgen aufbrechen, da uns hier nicht mehr viel hält. All die Erinnerungen in unserem Haus rauben mir meine letzte Kraft.
Ich hoffe, wir werden die Reise schnell und unversehrt hinter uns bringen und dich bald wieder in unsere Arme schließen können. Auch die kleine Fiona vermisst dich sehr, soll ich dir schreiben.
In Liebe, dein Bruder Robert.
Erleichtert atmete sie auf. Wenigstens konnte sie, da die beiden zu ihr kamen sicher gehen, dass es ihnen gut ging. Nun doch noch jemanden aus ihrer Familie an ihrer Seite zu haben, übertraf sämtliche Vorstellungen, die sich über ihr Leben auf Dover gemacht hatte.
Ob sie Robert jedoch sofort als ihren Bruder vorstellen sollte, wusste sie noch nicht. Immerhin war es nicht üblich, dass sich eine Mätresse ihren gesamten Hausstand, inklusive Familienangehörige mitnahm. Den Brief in ihre Rocktasche geschoben, ging sie nach oben in ihre Zimmer. Da sie das Essen in ihrem Zimmer eingenommen hatte, wie sie es seit ihrer Ankunft hier bevorzugte, hatte sie John nicht mehr zu Gesicht bekommen. Doch sicher würde er bereits auf seinem Zimmer sein und bald zu Bett gehen. Auch sie brauchte dringend Schlaf. Nach allem was der Tag so mit sich gebracht hatte.
14
Doch als sie ihr Zimmer dann betrat, war an Schlaf nicht mehr zu denken. Denn niemand geringer als John saß auf einem Sessel vor ihrem Kamin, in dem sich ein warmes Feuer ausbreitete. Einen Löffel im Mund steckend, eine Schüssel in der Hand, bemerkte er sie, da sie sich völlig ruhig verhielt und wie versteinert noch immer dort stand, von wo aus sie ihn entdeckt hatte, erst spät. Doch als er sie dann sah, verwandelte sich sein vorher noch melancholisches Gesicht, in ein lachendes.
Den Löffel noch immer im Mund steckend stand er auf, blieb dann aber dort stehen wo er war.Joselyne konnte nicht anders, als einmal laut auszuatmen, da er einfach umwerfend aussah. Die legere Kleidung ließ ihn so angreifbar wirken, dass sie ihn am liebsten in den Arm genommen hätte. Seine Augen, diese Augen, die sie so sehr liebte, leuchteten. Und es lag sicher nicht am Feuer. Auch sein Haar, welches so düster wirkte, strahlte heute geradezu.
Eine Erscheinung, die sie in ihren kühnsten Träumen nicht in ihrem Zimmer erwartet hätte.
„Du weißt schon, dass dies mein privates Zimmer und kein allgemeiner Aufenthaltsort ist“, äffte sie seine Bemerkung aus dem Arbeitszimmer nach.
Leicht schmunzelnd, schob er den Löffel wieder in die Schüssel, nur um ihn sogleich wieder in seinen Mund zu stecken. Genüsslich schmeckte er die Speise und schloss dabei die Augen.
Eine griechische Gottheit hätte es nicht besser machen können, als er gerade eben.
„Würdest du dass hier essen, wärst du nicht so bissig“, zog er sie nun auf. „Nun schließ endlich die Tür, bevor wir noch Publikum bekommen.“
Sie leistete ihm Folge und schloss die Tür. Jedoch bewegte sie sich ansonsten keinen Zentimeter.
Joselyne war zwar froh ihn hier zu sehen, da sie bereits geglaubt hatte, ihn heute nicht mehr zu Gesicht zu bekommen. Doch wollte sie ihm all ihre Emotionen nicht gleich auf einem Silbertablett präsentieren.
„Und was isst sein Lordschaft dort?“
„Mortarioli“, sagte er knapp und schob sich den nächsten Löffel in den Mund.
Neugierig hob Joselyne den Kopf und sah eine bräunliche Masse in der Holzschale, die er wie einen Schatz in seinen Händen hielt.
Die Hände, die sie wie einen Schatz berührt hatten. Die sie zum Erbeben gebracht haben.
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