Für immer Dein
wieder zu Schlangenaugen, welche sie mit spitzer Zunge zu erhaschen drohten.
„Ihr seid ohnmächtig geworden wie ich hörte“, stellte sie sachlich und kühl fest. „Was hat Euch so in Aufregung versetzt?“
Joselyne versuchte es auf die ehrliche Art. „Die Sonne, die neuen Lebensumstände, aber vor allem der Ring meines Mannes. Es ist alles zu viel gewesen.“
Anne nickte bedächtig. „Verstehe. Nun ja, die neuen Lebensumstände lassen sich schnell wieder rückgängig machen. Ebenso die Sonne, wenn Ihr Euch im Schatten aufhaltet. Die Sache mit Eurem Mann – wäre er nicht so dumm und falsch gewesen. Und hätte er sich mit keiner Französin eingelassen, würde er noch gesund und munter umherwandern. Und ich hätte im Übrigen eine Sorge weniger.“
Joselyne wusste was sie wollte. Sie war nun schwach und verletzlich und Anne erhoffte sich scheinbar hier ihre Kapitulation zu erhalten. Doch körperlich war sie sicher nicht wohl auf, da hatte Anne einen Vorteil, würde sie sie nun zu einem Wettlauf herausfordern. Doch geistig war sie voll bei der Sache.
„Ich gebe Euch Recht – was die Sache mit der Sonne anbelangt. Vielleicht sollte ich den Schatten lieber vorziehen. Auch weiß ich, dass sich mein Mann nicht aufrichtig verhalten hat, doch bedaure ich sein Ableben. Immerhin war er meine Familie. Doch entscheide nicht ich über mein Schicksal, was Dover Castle angeht, sondern Euer Sohn. Er nahm mich mit. Rettete mir das Leben. Was ich ihm niemals vergessen werde. Jedoch lag ab dem Zeitpunkt, in dem er mich aus dem Tower geholt hat, mein Leben in seinen Händen.“
Während ihres kleinen Vortrags, der sie eine Menge Kraft gekostete, hatten sich Annes Augen immer mehr geweitet, nur um dann kurz bevor sie zu bersten drohten, zusammengekniffen zu werden. Sie hatte kurz Schwäche gezeigt und diesen kurzen Moment hatte Joselyne genutzt.
Doch Anne fing sich schneller als gedacht. Denn schon als sich Joselyne siegessicher in die Kissen zurückfallen ließ, schnaubte sie wieder.
„Mein Mann ist auch gestorben. So wie mein Sohn. Ich hatte diesen Verlust zu beklagen und gleichzeitig für meine beiden Söhne zu sorgen. Doch ich ließ mich nicht von einem fremden Mann unterhalten und wärmte sein Bett. Eure weiteren Aussichten sind, falls Ihr Euch entscheidet hierzubleiben, liederlich und unkeusch und Ihr werdet geradewegs in der Hölle landen.“ Anne stand auf und strich ihr violettes Kleid glatt, das die Farbe ihrer Augen ungemein unterstrich. „Eine Frau sollte lernen auf eigenen Beinen zu stehen. Sie sollte stark und ausdauernd sein. Dies ist mein Bild, das ich vor Augen habe. Ihr hingegen seid all dass, was ich nie werden wollte.“
„Auch wenn ich in Euren Augen falsch gehandelt habe, so hat mein Leben von Eurem Sohn abgehangen. Euer Mann starb, das ist sehr bedauernswert, doch Ihr musstet Euch nicht zwischen Leben und Tod entscheiden. Vielleicht haltet Ihr Euch diesen Umstand einmal kurz vor Augen, ehe Ihr mich verurteilt. Und im Übrigen, hätte ich mir mein Leben auch anders vorgestellt.“
Anne stand der Mund offen. Doch da sie ihr Unrecht nicht zugeben wollte, richtete sie sich kerzengerade auf und wechselte abrupt das Thema. „Was ich noch sagen wollte: Edward ist noch jung und ich hoffe das wir alle diese Eskapade vergessen können. Auf Wiedersehen.“
Dann tat sie ihrem Sohn gleich und verschwand.
Nach all diesen Anschuldigungen darüber, wie schlecht sie nicht sei, war Joselyne nun bereit dem ganzen noch das i-Tüpfelchen aufzusetzen, indem sie den Brief von Thomas las.
Für Joselyne stand auf der Vorderseite des beschmutzten Papiers. Das Siegel, welches man, scheinbar noch eilig draufgebracht hatte, trug zu Joselynes Erstaunen, das Wappen ihres Mannes. Also hatte man ihm seinen Siegelring erst nach seinem Tod abgenommen.
Als sie das Blatt auffaltete, flogen ihr die ersten krakeligen Zeilen entgegen. Ab und an schien die Tinte ausgegangen zu sein. Dann war wieder ein schwarzer Fleck zu erkennen. Kein Brief, den man jemanden schicken würde. Doch wie sollte es anders sein, wenn er direkt aus dem Tower kam.
Joselyne,
wie ich hörte, bist du noch einmal knapp mit dem Leben davongekommen. Doch welch Leben hast du gewählt? Das einer Mätresse! Und noch dazu von dem Mann, der uns alle in den Tod gestürzt hat. Ich will dass du weißt, dass ich nun mit dem Wissen die Erde verlassen, dass mich meine Frau, welche ich stets ehrenvoll behandelt habe, hintergangen und verraten hat.
Wie lange steckst du schon
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