Für immer, Deine Celia: Roman (German Edition)
wirklich?« Damals, als sie den Strumpf in ihren Flickkorb gesteckt hatte, war ein Sturm der Gefühle, wie sie ihn erlebte, für sie unvorstellbar gewesen. Und jetzt war sie zurück in dem Haus, das so lange ihr Zuhause gewesen war, verfiel in die Routine des Alltags und wusste doch nicht mehr, wohin sie gehörte.
Der Strumpf hatte ein Loch in der Ferse. Sie seufzte, als sie ihn über einen hölzernen Stopfpilz spannte, der ihrer Mutter gehört hatte. Stopfen war eine aussterbende Kunst. Keine ihrer Töchter konnte es, obwohl sie versucht hatte, sie anzuleiten. »Wozu denn das?«, hatte Margaret erstaunt, wenn nicht sogar verständnislos gefragt.
»Denkst du an eine deiner Geschichten?«
Celia runzelte die Stirn. Das Loch war groß und der Strumpf aus purem Kaschmir und daher der Mühe wert. »So ungefähr.«
»Gute Geschichte?«
Sie zuckte die Schultern, vermied es, ihn anzusehen.
Und dann kam eine Frage, die sie überraschte. »Wie lebt es sich eigentlich mit all diesen ausgedachten Typen?« Er schien das spaßhaft zu meinen und wirkte doch leicht verlegen.
Noch vor kurzem hätte sie sein Interesse begrüßt. Es war das erste Mal, dass er sich nach ihrer schriftstellerischen Tätigkeit erkundigte. Doch jetzt kannte sie drei Frauen, die Bücher schrieben, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen, und einen Mann, dessen Bücher als so gefährlich eingestuft wurden, dass man ihre Veröffentlichung verbot. Die Zeiten, da sie sich isoliert, unverstanden gefühlt hatte, waren vorbei.
»Beengt«, antwortete sie nach kurzem Zögern und glaubte, damit jemanden zufriedenstellen zu können, der nie ein Buch geschrieben hatte.
Er nickte amüsiert. »Kann ich mir vorstellen.« Er hielt kurz inne. »Hörst du Stimmen in deinem Kopf? Wie die Jungfrau von Orleans, zum Beispiel?« Er runzelte die Stirn. Der Vergleich erschien ihm wohl selbst nicht ganz stimmig.
»So ungefähr, ja«, erwiderte sie.
Sie waren allein im Haus, was selten vorkam. Margaret war zu Freunden gefahren und blieb über Nacht. Sie hatten sich wie üblich nach dem Abendessen für ein bis zwei Stunden in den Salon (wie Frederick den Raum gern nannte) zurückgezogen. Für den Sommermonat August war es ein kühler Abend. Dennoch hatte Frederick die Flügeltüren weit geöffnet. Er liebte frische Luft. Sie hörten den Wind in der Blutbuche rauschen. Das Geräusch der Blätter, die sich heftig im Luftzug bewegten, übertönte vorübergehend die Verkehrsgeräusche auf der nahen A3. Frederick erklärte Besuchern stets, man würde die Straße nicht bemerken. Die große Standuhr in der Diele mache mehr Lärm, lautete einer seiner beliebten Scherze. Aber in den vergangenen zwanzig Jahren hatte sich das Verkehrsaufkommen leider verdoppelt.
Celia horchte auf das laute, rhythmische Ticken der Uhr und musste dabei unwillkürlich daran denken, wie das Leben zerrann. Alexej würde das jetzt nicht so sehen , überlegte sie. Er würde sagen, das Ticken bringe uns einander wieder ein Stück näher . Ich kann sogar seine Stimme hören.
» Jetzt lächelst du schon wieder«, bemerkte Frederick unvermittelt.
»Ach ja?« Es machte sie nervös. Sie fühlte sich unter Beobachtung.
»Der Strumpf ist nicht mehr zu flicken, Liebling.«
»Wirklich?«
»Ich bitte dich«, sagte er gutmütig. »Wir können uns ein neues Paar leisten.«
Bald war es Zeit für die Nachrichten, wie er sich sicher erinnerte, bevor die Standuhr neun Mal durchdringend schlagen würde. Er bestand darauf, den Fernsehapparat (den sie finanziert hatte) hinter einem Paravent zu verstecken. Er behandelte das Gerät wie einen ungebetenen Gast, dem er gelegentlich erlaubte, etwas zu sagen. Wobei er mit keinem Wort erwähnte, ob er ihn interessant oder unterhaltsam fand. »Nett, dass wir beide mal allein sind«, sagte er bedeutungsvoll.
Zum Mittagessen war Priscilla in Parr’s gewesen. »Was hast du nur mit ihm angestellt?«, hatte sie gefragt und war Celia in die Küche gefolgt, die Augen vor Neugierde funkelnd. »Dieser Mann kann nicht von dir lassen. Überrascht mich offen gestanden nicht. Du siehst großartig aus, meine Liebe.«
Frederick hatte geschmollt, als Priscilla auch noch zum Tee geblieben war. Es war offensichtlich, dass sie zögerte, in die Einsamkeit ihrer Wohnung zurückzukehren. Allerdings gab es einen Liebhaber – aber den gab es irgendwie immer –, jemanden, der ihr angeblich treu ergeben war, jedoch meistens durch Abwesenheit glänzte. »Du hast verdammtes Glück, meine Gute«, hatte sie
Weitere Kostenlose Bücher