Für immer, Deine Celia: Roman (German Edition)
schallendes Gelächter aus, und Celia hörte das Klirren des Porzellans aus der Richtung der Mutter.
Den scharfen Augen des Personals entging nur wenig. Sie konnten die Verhaltensweisen ihrer Herrschaft sogar bis in die Intimsphäre ihres Schlafzimmers verfolgen – allein anhand der Kleidungsstücke, die auf dem Boden lagen, den blassrosa Puderspuren auf der Glasplatte des Toilettentischs und dem Hauch des Parfums Coty’s La Rose Jacqueminot, der in der Luft hing. Sie wussten auch über wesentlich intimere Dinge Bescheid, wie zum Beispiel über den Zeitpunkt, an dem die Monatsblutungen von Lady Falconbridge endgültig geendet hatten. Und natürlich wussten sie, welcher Sprache die Falconbridges sich bedienten, wenn sie sich allein wähnten, da dienstbare Geister beim Servieren praktisch unsichtbar wurden.
In Far Point lernte Celia zum ersten Mal das kennen, was man »geistige Freiheit« nannte, denn hinter der ehrerbietigen Maske ließen die Dienstboten ihren rebellischen, respektlosen Gedanken freien Lauf – und selbst ihre Mutter, die ihr stets die Bedeutung der Aufrichtigkeit gepredigt hatte, stellte dabei keine Ausnahme dar.
Celia ärgerte die Landmasse auf der anderen Seite des Solent, obwohl ihre Mutter ihr mehrfach versicherte, Frankreich läge weit außerhalb ihrer Sichtweite hinter dem Horizont. Die Vorstellung von einem fremden Land mit einer anderen Sprache faszinierte sie. Vielleicht redeten die Menschen dort über Ideen und Träume – anders als Cook und Ella und Mr Peters. Die Küche sei wie ein Mäusekäfig, hatte Helen einmal bemerkt, aber Celia hatte keine Ahnung, woher sie das wusste.
Auch auf andere Weise fühlte sie sich von der Insel jenseits der Meerenge betrogen. Ohne die vorgelagerte, die Gewalt des Meeres bremsende Landmasse wäre die See viel ungestümer, mit all den Wellen, die über den Atlantik rollten und tosend auf den Strand trafen. Sie dachte an sie vor dem Einschlafen und stellte sich vor, wie sie den schmalen Kiesstrand in ein breites Band aus goldenem Sand verwandelten.
Far Point war des Nachts ein beängstigender Ort, wenn Celia allein im Bett lag und auf ihre Mutter wartete, die noch lange in dem kleinen Büro saß, wo die Perlschnüre, die von der scharlachroten Lampe baumelten, Schatten in Form von länglichen Käfern warfen. Die Kiefern draußen bogen sich ächzend im Wind, und sie wusste, dass sich hinter der geschlossenen Tür ihres Zimmers die langen Teppichläufer in den Korridoren aufbäumten und wanden wie Schlangen.
»Alles in Ordnung«, redete sie sich – allerdings erfolglos – ein. Sie hatte Angst und stellte sich entsetzt vor, wie sie bald auf ihren seelenlosen, unter der Decke liegenden Körper hinabsehen würde. Sie wollte hinunter zu ihrer Mutter laufen, fühlte sich jedoch von allen Seiten umzingelt.
Dann – im Zustand lähmenden Entsetzens – glaubte sie, ihre eigenen Worte in beruhigendem Ton zu hören: »Alles in Ordnung!«
Sie kniff ihre Augenlider so fest zusammen, dass sie in der Dunkelheit rote Blitze sah.
»Es gibt fliegende Teppiche«, fuhr die Stimme seltsam einschmeichelnd fort. »Die könnten uns nach Frankreich bringen.«
Daraufhin öffnete sie die Augen, und im Mondlicht, das durch die dünnen Vorhänge drang, sah sie ein zierliches Mädchen ihres Alters, ganz in Weiß gekleidet, mit einem blassen, ernsten Gesicht und langem Haar, das wie schwarze Seide über ihre Schultern fiel. Als sie viele Jahre später darüber nachdachte, gelangte sie zu der Überzeugung, dass dieses Mädchen eine Erscheinung gewesen sein musste – vielleicht der Geist eines anderen verängstigten Kindes, das einst in diesem abgelegenen Haus mit den knarrenden Balken und Dielen gelebt hatte. Damals jedoch erschien ihr ihre neue Freundin, die sie Naomi nannte, abgesehen von ihrer Mutter, realer als irgendjemand sonst.
Gelegentlich störte Helen ihre Gespräche. »Mit wem hast du geredet?«, fragte sie dann. »Wie oft habe ich dir schon gesagt, dass du nicht im Wäscheschrank spielen sollst?« Dann ordnete sie die Stapel Bettwäsche und Handtücher wieder neu und wartete mit sorgenvoller, ärgerlicher Miene auf eine Antwort.
»Mit Phoebe«, schwindelte Celia dann hastig, deutete auf ihre Puppe und wusste intuitiv, dass sie das Richtige tat. Sie hatte eine entscheidende Entdeckung gemacht: Die Person, die ihr am nächsten stand, wusste längst nicht mehr, was in ihr vorging. Nur weshalb, so wunderte sie sich, fand ihre Mutter es akzeptabler, dass sie mit der
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