Für immer, Deine Celia: Roman (German Edition)
dreiundvierzig Jahre war). Sie wurde in der Munitionsfabrik in Southampton eingesetzt, wo auch Ella landete – und damit Mr Peters’ Prophezeiung erfüllte. Aber Cook war begeistert und sah beim Abschied ganz anders aus. »Fast hübsch«, flüsterte Helen Celia zu, als sie allein waren. Dem konnte Celia zustimmen und dachte sowohl an das schicke Kostüm, das Cook getragen hatte, als auch an den dick überpuderten dunklen Schatten auf ihrer Oberlippe.
Mit über fünfzig Jahren war Helen zu alt für das Kriegshandwerk, und außerdem, wie sollte Lady Falconbridge – kürzlich verwitwet – ohne Dienstboten auskommen? Kein Wunder, dass Helen Kriege hasste, die nur Wahnsinn und Zerstörung über sie gebracht hatten. Und nun, anstatt sich auf der Reputation ausruhen zu können, die sie sich als Haushälterin erworben hatte, blieb auch noch das Saubermachen und Kochen an ihr hängen. Aber zumindest zeigte sich Lady Falconbridge endlich erkenntlich. Sie schien über die Fahnenflucht der Dienstboten verärgert und verwirrt zugleich. »Ich weiß nicht, was sie alles erwartet haben«, wiederholte sie immer wieder, als habe sie Cook und Ella wie Königinnen behandelt, anstatt ihnen lediglich winzige Zimmer ohne Heizung zuzugestehen und ihnen Margarine statt Butter und nur verwässerte Milch zu den Mahlzeiten zu gönnen.
Der Tod des Ehemanns traf Lady Falconbridge hart. Mr Peters schwor, er habe sie »John! John!« rufen hören, als sie in Kopftuch und Pelzmantel durch den Wald gestolpert sei. Allerdings konnte er das auch erfunden haben, um seiner Lieblingstheorie Nachdruck zu verleihen, dass jemand, je unglücklicher dieser verheiratet gewesen sei, desto länger um einen Ehepartner trauerte und umgekehrt. Das sei natürlich Unsinn, fand Helen. Als ihr Mann gestorben war, hatte sie nur kurz getrauert, wollte ihre Ehe jedoch niemals als glücklich bezeichnen. In Wirklichkeit war Witwenschaft in jeder Hinsicht bitter. Sie beobachtete mitfühlend, wie Lady Falconbridge Rituale und Lebensstil krampfhaft weiter pflegte, während die Einladungen immer spärlicher eintrafen. Es war wie bei einer Partie Mikado. Entfernte man einen wichtigen Stab, wie zum Beispiel den Mann im Haus, kollabierte das gesamte soziale Gefüge.
Dann trat eines Tages, zermürbt von der Einsamkeit, Lady Falconbridge durch die grüne Filztür, auf der Suche nach menschlicher Wärme und Gesellschaft. Ihr Sohn Albert konnte wie der Vater mit Geld nicht umgehen und forderte ständig mehr Unterstützung von der Mutter. Vielleicht konnte sie diese erniedrigenden Geständnisse nur bei einer Frau wie Helen loswerden, die ihre Welt verstand, ohne dazuzugehören. »Seien Sie streng mit Master Albert, es ist die einzige Möglichkeit«, riet Helen, die dankbar war, dass ihre Celia so ein braves Mädchen war. Lady Falconbridge hatte einmal gefragt: »Wer hat Ihnen geholfen, als Sie ihren Mann verloren haben?« Allerdings wartete sie die Antwort nicht ab. Es war, als habe sie in Helen eine Leidensgefährtin erkannt. »Was für ein hübsches Mädchen du doch bist!«, rief sie manchmal völlig überrascht aus, wenn sie Celia sah. »Albert, Hermione und du – ihr müsst euch das nächste Mal treffen, wenn sie hier sind.« Der Krieg beseitigte gesellschaftliche Schranken. Jeder nahm das wahr.
Der Haushalt schleppte sich dahin, verkleinerte sich Jahr um Jahr, und Mr Peters, enttäuscht, weil er für den Kampf an der Front zu alt war, sah sich genötigt, den eleganten, formellen Garten, den er ein Leben lang gepflegt hatte, in einen riesigen Nutzgarten zu verwandeln, um die Kriegsnöte zu lindern. Dafür behielt er trotz Rationierung seine Bienenvölker. Er zuckerte seinen Tee nicht mehr, versuchte, keine Süßigkeiten zu essen, und hoffte auf den kommenden Honig wie auf das Ende des Krieges.
Als Celia mit sechzehn Jahren die Schule verließ, begann sie, ihm beim Umgraben, Harken und Pflanzen zur Hand zu gehen. Während die Tage wieder kürzer wurden, entstand zwischen den beiden eine Art Vater-Tochter-Beziehung, wobei ihr kondensierter Atem Maßstab für ihre nachdenklichen Gespräche war. Mr Peters sorgte sich, weil Celia sich bei der Arbeit die Hände schmutzig machte und die Haut rissig und von der Kälte gerötet wurde. Sie sei noch jung, sollte ihr Leben genießen dürfen, brummelte er, während sie eifrig die gefrorene Erde bearbeitete. Aber Celia war durchaus zufrieden. Die Aufgabe erlaubte es ihr, ihren Tagträumen nachzuhängen, und sie begann halb in der
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