Für immer, Deine Celia: Roman (German Edition)
dass sie sich hauptsächlich in der Küche aufhalten würden. In den Wintermonaten war die Küche der wärmste Raum – dank einem Eisenofen, der bullernde Hitze verbreitete. Hinter der geschlossenen Küchentür pfiff der Wind durch die Korridore, und Eisblumen bildeten sich innen an den Fensterscheiben. War jedoch Frederick zu Hause, durfte all das keine Rolle spielen, und die Familie nahm sämtliche Mahlzeiten in dem eisigen Esszimmer ein. Aber die Kinder hatten Angst, sich den Wünschen des Vaters zu widersetzen. Frederick war zwar wenig zu Hause, erwartete jedoch absoluten Gehorsam, besonders von seinem Sohn Robert. Nie wäre es einem der Kinder eingefallen, zu lachen, wenn er die Speisekammer als »Kaltraum« bezeichnete.
Priscilla hatte ihren Mann verlassen. Celia war die Einzige gewesen, an die sie sich wenden konnte, denn »… droben im Norden kennt jeder jeden, und du bist der einzige Mensch, der …« Sie zuckte entschuldigend mit den Schultern, lächelte gewinnend, und Celia begriff, dass sie in der Abgelegenheit des Landlebens und als Frau eines Berufsoffiziers den idealen Unterschlupf bieten konnte. Wie Priscilla gehofft haben musste, war Frederick dienstlich viel unterwegs, sodass sie Celia für sich hatte – von den Kindern natürlich abgesehen.
»Bist du sicher, dass ich dir nicht zur Last falle?«, erkundigte sie sich wiederholt und kuschelte sich in ihrem Nerzmantel aufs Sofa, das Celia während Fredericks Abwesenheit stets aus dem Wohnzimmer in die Küche verfrachtete. Sie rauchte Kette, während Robert und Sarah am Küchentisch verlegen mit ihren Malkreiden hantierten, ihr verstohlene Blicke zuwarfen, und Margaret einen Stuhl ans Spülbecken zerrte, damit sie die Hähne aufdrehen, den Fußboden unter Wasser setzen und alle Aufmerksamkeit auf sich lenken konnte.
»Ich bewundere dich, meine Liebe«, bemerkte Priscilla, als sie feststellte, dass Celia kein Kindermädchen beschäftigte. »Was für ein liebes, kleines Schätzchen«, nannte sie Sarah. Und von Margaret sagte sie, während sie ihr übers Haar strich: »Aus der wird mal eine Schönheit.« Aufrichtiges Interesse an den Kindern ließ sie vermissen. Ihr ging es lediglich darum, endlich ihre Geschichte loszuwerden, und sie scheute dabei kein Detail, während Robert einen Streifen blauen Himmels über ein Stück raues Papier malte.
»Kannst du verstehen, dass dich jemand so auf die Palme bringen kann, dass man glaubt, bei jedem weiteren Wort in die Luft gehen zu müssen? Dass du lieber sterben möchtest, als dich von ihm berühren zu lassen?« Sie beantwortete diese Fragen gleich selbst. »Natürlich kannst du das nicht, meine liebe Celia. Du hast schließlich die Liebe deines Lebens geheiratet.«
Sich freiwillig als Marinehelferin zu melden sei für ein Mädchen wie sie sehr ungewöhnlich gewesen, erklärte Priscilla. Zuerst hatte sie angeblich zufrieden darauf gewartet, verheiratet zu werden wie alle anderen auch. Aber dann bei der Marine hatte sie Verantwortung übertragen bekommen, Menschen getroffen, mit denen sie in ihrem normalen Leben nie in Berührung gekommen wäre (dabei berührte sie fast entschuldigend Celias Hand), und mehr Spaß gehabt, als sie das je für möglich gehalten hatte. Aber nach dem Krieg tat ihre Mutter so, als habe sich die Welt nicht verändert. Obwohl es im ersten Jahr keine Ballsaison gab, bei der Priscilla als Debütantin hätte auftreten können, war sie fest entschlossen, eine gute Partie für die Tochter zu arrangieren. Priscillas Proteste, sie wolle nur einen Mann heiraten, den sie liebe, stießen auf taube Ohren.
»Damals an dem Tag, als wir uns zum Lunch getroffen haben«, fuhr Priscilla fort, »war ich kurz davor, von zu Hause fortzulaufen. Darauf wärst du nicht gekommen, oder? O Celia, du hast solches Glück! Dir ist das alles erspart geblieben.«
Schließlich hatte Priscilla jeden Widerstand aufgegeben. Der Krieg hatte nichts verändert, nicht in der Gesellschaftsschicht, aus der sie kam. All die aufregenden Freiheiten und demokratischen Vorstellungen waren pure Illusion geblieben. »Mädchen wie ich …«, begann sie. Und damit meinte sie, dass für Töchter aus der Oberschicht, ohne Berufsausbildung, die Ehe die einzige, allein selig machende Option darstellte. »Und dann hab ich’s eben versucht«, behauptete sie mit einem strahlenden Lächeln, und Celia stellte sich ihr Leben mit all den hohlen Konventionen und der wachsenden Verzweiflung vor. »Deshalb habe ich die Verbindung zu dir und
Weitere Kostenlose Bücher