Für immer, Deine Celia: Roman (German Edition)
schaffen, ohne Ehre und Ansehen des jungen Paares zu verletzen. Dann, nachdem sie Gäste, Speisefolge und Blumengeschenke in ihr Gästebuch eingetragen hatte, würde sie den Namen der Noonans von ihrer Gästeliste streichen. Klatschgeschichten verbreiteten sich hier schnell. Nach diesem Abend würde niemand mehr die beiden einladen.
»Frank Sinatra!«, rief Milly in diesem Moment schon ein wenig begeisterter. Ihren Mann, der jeder ihrer Bewegungen wie in Trance folgte, schien sie völlig vergessen zu haben.
Eigentlich genoss Celia die Szene, denn die Tatsache, dass sich hier jemand frei und spontan verhielt, war in diesem in starren Konventionen verharrenden Inselklima exzellenter Stoff für einen Roman. Milly war so jung und hatte nur ausgesprochen, was sie dachte und fühlte. Celia war es schleierhaft, wie man dieses unnatürliche Leben auf die Dauer ertragen konnte.
Dann fing sie Williams Blick auf, der zum leeren Türrahmen schweifte und erstarrte, als habe er einen Geist gesehen. Offenbar hatte ihm ein untergebener Diener ein Zeichen gemacht und war wieder verschwunden, hatte seine Aufmerksamkeit erregt. Im nächsten Moment war auch William nirgends mehr zu sehen, Milly hatte seinen Posten am Grammofon übernommen, und kurz darauf erfüllten die Klänge von »Strangers in the Night« den Raum, und der sinnliche, sehnsuchtsvolle Klang des Songs übertönte das kratzende Geräusch der Saphirnadel auf der alten Schallplatte. Milly begann, sich in ihrem eng anliegenden silbernen Kleid im Rhythmus der Musik zu wiegen. Doch so sehr die Herren auch in Versuchung geraten mochten, Celia war überzeugt, dass keiner mit ihr tanzen würde. Ebenso gut hätte sie sich ein schwarzes Kreuz auf die Stirn malen können. Um ihr schlechtes Benehmen perfekt zu machen, drehte sie die Lautstärke voll auf und machte damit jede Unterhaltung unmöglich – die sich allerdings wie immer nur um die Frage drehte, wie das Land je die Unabhängigkeit würde verkraften können.
Doch gerade als Celia Milly vorschlagen wollte, sich in einem der großen Schlafzimmer im oberen Stock die Nase zu pudern, tauchte William an ihrer Seite auf und versuchte, ihre Aufmerksamkeit zu erregen.
»Was gibt’s denn, William?«
»Draußen wartet ein Kurier, Madam.«
Es waren exakt die Worte, die jede Mutter auf diesem Außenposten fürchtete, denn das konnte nur schlechte Nachrichten aus England bedeuten. Internationale Telefongespräche mussten Stunden im Voraus angemeldet werden. Falls daher jemand auf dem Stützpunkt dringend erreicht werden musste, würde das Hauptquartier einen Kurier zur Offiziersmesse schicken, und ein Laufbursche würde die Meldung persönlich zum Empfänger bringen.
Später hatte Celia keinerlei Erinnerung mehr an den Kurier. Sie hatte nur Augen für den braunen Umschlag, den er ihr überreichte. Während sie draußen in der warmen Nacht stand, wusste sie, dass jetzt die Strafe dafür kommen würde, dass sie ihre Kinder allein gelassen hatte.
Sie riss den Umschlag auf. »Sarah wurde gestern erfolgreich am Blinddarm operiert. Keine Sorge«, las sie. Knapp und positiv – typisch für Bet. Sie und Jack hatten offenbar einen Anruf des Internats erhalten und hatten vermutlich alles stehen und liegen lassen und waren in das Krankenhaus gefahren, in das Sarah gebracht worden war. Bet hatte vermutlich ihre Hand gehalten, als das Kind aus der Narkose aufgewacht war, wimmernd und desorientiert, und hatte sie beruhigt und getröstet. Einen Augenblick lang erlebte Celia einen schmerzlichen Anfall von Eifersucht. Es sind meine Kinder! Dann nahm sie sich zusammen. Dem Himmel sei Dank für Bet.
William hielt sich im Hintergrund: zu gut erzogen und feinfühlig, um Fragen zu stellen, aber doch so betroffen, dass er seine Besorgnis nicht verhehlen konnte.
»Meine Tochter Sarah war krank. Aber es wird alles gut, William. Dem Himmel sei Dank! Das ist alles, was zählt.«
»Gott segne Sie, Madam«, erwiderte er, und seine weißen Zähne blitzten.
Gelegentlich fragte Celia sich, was die Dienstboten wohl über die seltsam gefühlskalten Gepflogenheiten der Europäer dachten, deren Kinder ein Mal im Jahr wie Postsendungen in Afrika ankamen, und dann bleich und schluchzend, äußerlich und innerlich ramponiert, wieder zurückbefördert wurden. »Ist doch nur für ein paar Jahre«, sagte sie sich dann stets, obwohl es für die Kinder die entscheidenden Jahre waren und sie keine richtige Vorstellung hatte, wie lange sie in Afrika bleiben mussten.
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