Für immer die Seele (Für-immer-Trilogie) (German Edition)
oder?«, fragt er und kommt mir ein paar Schritte entgegen.
»Ja, ich weiß. Es ist eher, als könnte ich mir selbst nicht trauen. Die Angst, ich könnte die Kontrolle verlieren und einfach hinunterspringen. Das war schon immer so.« Ich stelle mich auf die Zehenspitzen, damit ich ein bisschen weiter über den Rand gucken kann. »Ich kann auch von hier prima sehen.«
Griffon lacht und kommt an meine Seite. »Du hast recht. Von hier ist es genauso gut.«
Wir stehen da und genießen die Aussicht aus sicherer Entfernung. »Also«, beginne ich, um das Gespräch noch einmal auf unser vorheriges Thema zu lenken, »denkst du, wir hatten schon einmal irgendeine Art von Beziehung?«
»Nein«, sagt er sofort. »Ich habe meine Erinnerungen durchforstet, aber ich konnte nichts finden.« Er sieht, dass ich lächele. »Was?«, fragt er.
»Ach, es ist dumm …«
»Komm, sag schon.«
»Es ist nur, ich meine … Ich glaube, ich fände es ziemlich blöd, wenn wir früher mal Mutter und Sohn gewesen wären. Oder Schlimmeres.«
»Keine Sorge. Das waren wir bestimmt nicht. Der Grund für unsere Begegnung ist wahrscheinlich, dass deine Erinnerungen zurückkehren. Wie gesagt, Akhet verspüren oft eine gegenseitige Anziehung, ohne dass sie genau sagen könnten, warum. Es herauszufinden, ist das Spannende daran.«
Ich ziehe mir den Reißverschluss bis ans Kinn und stelle meinen Rucksack auf dem Boden ab. Hier oben ist es ganz schön kalt, aber ich will auf keinen Fall schon wieder zurück. Ich weiß nicht, ob ich überhaupt jemals zurückwill.
»Hast du schon mal so viele Lichter gesehen?«, fragt Griffon und lässt seinen Blick über das Tal gleiten.
»Ich muss dabei an die Hunderttausende von Menschen dort unten denken.« Ich fröstele unwillkürlich. »Und dann fühle ich mich sehr klein. Und unwichtig.«
»Ich weiß, was du meinst«, sagt Griffon nachdenklich. »Man versucht, irgendwas Großes zu tun, irgendwie die Welt zu verändern. Aber dann steht man hier oben und begreift, dass man in Wahrheit nur ein winzig kleiner Teil von all dem ist.« Er sieht mich an. »Dir ist kalt. Wir sollten uns auf den Heimweg machen.«
»Nein, nein, noch nicht.« Ich schaue ihn an, und der kalte Wind bläst mir ins Gesicht, aber ich will nicht gehen, ich will, dass dieser Abend niemals endet. »Lass uns noch ein bisschen bleiben, es ist so wunderschön hier.«
»Dann komm her«, sagt er und stellt sich dicht hinter mich, »ich wärme dich.«
Vorsichtig lasse ich meinen Kopf zurücksinken, bis er ganz leicht auf seiner Brust liegt. Selbst durch die dicke Lederjacke hindurch nehme ich das Summen seiner Schwingungen und seinen ganz besonderen Geruch wahr. Ich atme tief ein, damit ich mich später zu Hause genau daran erinnere. Mir ist egal, welche Fähigkeiten er besitzt, ob er jeden Wochentag im Kalender erraten oder eine eigene Ausstellung in der größten Galerie der Stadt haben könnte. Ich weiß nur, dass ich bei ihm sein will, mehr als alles andere auf der Welt. Noch nie habe ich mir etwas so sehr gewünscht.
Nach einer Weile merke ich, wie Griffon sich entspannt. Ganz vorsichtig legt er einen Arm um mich und beugt seinen Kopf ein wenig zu meinem herunter, sodass ich seinen Atem in meinem Nacken spüre. Ein wohliger Schauer läuft mir über den Rücken, doch ich bewege mich nicht. Ich bin nicht sicher, ob er mich vielleicht tatsächlich nur wärmen will, und möchte die Nähe zwischen uns nicht zerstören.
Ich versuche, mich auf die winzigen Lichter der Autos auf der Brücke zu konzentrieren, doch dann spüre ich plötzlich, wie seine Fingerspitzen mir sacht die Haare aus dem Nacken streichen und sein Mund meinen Hals berührt, so zart, dass ich fast glaube, ich bilde es mir nur ein. Ich wage kaum zu atmen, schließe die Augen und spüre, wie seine Lippen meinen Hals entlangwandern und mich ganz sanft hinters Ohr küssen. Ich kann nicht länger stillhalten, drehe mich zu ihm herum, schiebe seine Jacke ein wenig zur Seite, lege meine Arme um ihn, bis ich die Wärme seines Rückens durch das Hemd spüren kann.
Griffon rückt ein bisschen von mir ab und schaut mich an. Selbst in der Dunkelheit sehe ich die Unentschlossenheit in seinem Gesicht und wünschte, ich könnte die Zeit um ein paar Sekunden zurückdrehen.
»Ich sollte das nicht tun«, sagt er, löst sich abrupt aus meiner Umarmung und geht zum Motorrad hinüber. Ich spüre einen dicken Kloß in meinem Hals. Der Augenblick war perfekt und jetzt ist er zerstört.
»Wenn du eine
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