Fuer immer du
Seite zu weichen. Zumindest solange nicht, bis seine Seite sicher sein konnte, das Anna keine der Auserwählten war und er wieder abberufen wurde. In dem Fall bräuchte sie nicht länger den Schutz eines Kriegers. Sie würden sich zurückziehen und erst wiederkommen, wenn das nächste Mädchen in diese Familie geboren worden war.
Anna betrat den Stall. Ein kurzer Blick über die Schulter zurück, um sich zu vergewissern, dass niemand sie gesehen hatte. Adrian hielt den Atem an. Duckte sich tief in die Schatten. Die Flamme der Öllampe, die sie in der ausgestreckten Hand hielt, tauchte den Stall in ein warmes Licht. Sie blickte sich suchend um, trat an Katharinas Box heran und hängte die Lampe an einen der Nägel in dem Pfosten vor Katharinas Box.
Adrian beugte sich vorsichtig über den Rand des Heubodens. Er beobachtete wie Annas Hand sanft über die Nase der Stute strich. Sie flüsterte ihr etwas zu. Annas rostbraunes Haar fiel offen über ihren Rücken. Sie trug nichts weiter, als ihren Morgenrock, trotz der kühler werdenden Nächte. Er würde mit ihr über ihren sorglosen Umgang mit ihrer Gesundheit reden müssen. Es wäre sonst leidlich, sie zu beschützen, wenn sie am Ende an einer Lungenentzündung starb.
Langsam ließ er sich vo m Heuboden gleiten. Sein Herz hämmerte in seiner Brust. Ein Gefühl, an das er sich noch immer nicht gewöhnt hatte. Er landete direkt hinter Anna, ohne das geringste Geräusch zu machen. Er senkte sein Gesicht zu ihrem Haar und sog tief den blumigen Duft ein. Dann zog er sich einen Schritt zurück. »Sie sollten nicht mehr hier sein, um diese Zeit, Gnädigste.«
Anna fuhr zusammen und drehte sich in einer hastigen Bewegung zu ihm um. Ihr Haar löste sich kurz von ihrem Rücken, schwebte durch die Luft und sank sanft wieder nach unten. Große grüne Augen starrten ihn erschrocken an und leuchteten auf, als sie ihn erkannte. »Adrian, endlich. Wo warst du nur?«
»Ganz in deiner Nähe«, sagte er grinsend und deutete mit den Augen nach oben.
»Oh, du Schuft«, sagte sie lachend und boxte ihm mit einer zarten Hand auf den Oberarm. Sie schmiegte sich in seine Umarmung. Wie jedes Mal, wenn sie bei ihm war, wurde das Glück von der Angst vor Entdeckung getrübt. Wenn jemand sie hier finden würde, wäre sie eine entehrte Frau. Dabei hatte er sie noch nicht einmal geküsst, in all den Wochen, die sie sich schon heimlich trafen. Und sie wollte es, genauso sehr wie er es sich wünschte. Aber er blieb standhaft. Diese letzte Grenze würde er nicht auch noch übertreten.
»Ich bin versprochen«, flüsterte sie in seine Umarmung.
Das Klingeln des Weckers riss mich aus diesem Traum. Vor dem Einschlafen hatte ich mir gewünscht, von Adrian zu träumen. Aber dieser Traum war fast schon zu real. Ich konnte das Heu riechen, den Geruch von Pferd und konnte auch jetzt, wo ich wach war, noch immer Adrians Arme fühlen, die sich um meinen Körper gelegt hatten. Nur meine Haare waren anders gewesen: länger, eher so wie ich sie früher getragen hatte. Und ich hieß Anna, wie das Mädchen, das unter dem Engel auf der Marienhöhe begraben zu sein schien. Ich schüttelte den wirren Traum von mir ab. Heute war mein erster Schultag an der Privatschule für Mädchen.
Es f iel mir nicht einfach, aufzustehen, mich in diese Schuluniform zu zwängen, und meiner Mutter am Frühstückstisch gegenüberzusitzen. Schließlich war sie diejenige, die darauf bestand, mich in eine Mädchenschule zu schicken.
Konnte es nicht jede andere Schule im Umkreis von hundert Kilometern sein? Musste es ausgerechnet diese Schule sein? Eine Mädchenschule weckte in mir die schlimmsten Vorstellungen von Zickenkriegen und Machtkämpfen. Und ich, die Neue, würde die volle Aufmerksamkeit bekommen. Wie lange würde es wohl dauern, bis sie wussten, dass ich diese Schule besuchen musste, weil ich in den Augen meiner Eltern Bestrafung verdiente?
Früher eine Klosterschule , wird auch heute noch viel auf katholische Werte geachtet, hieß es in dem Werbeprospekt, das schon Wochen vor unserem Umzug mit Magneten an das Memoryboard in unserer alten Küche geheftet worden war. Ich wusste ja noch nicht einmal, wie man betete. Und gebetet wurde in dieser Schule wohl häufig, wenn ich dem Flyer glauben durfte. Ich war ungeeignet für eine Schule, an der man regelmäßig den Gottesdienst besuchte. Vielleicht war es aber gerade dieser Hintergrund, der einige Eltern jugendlicher »Problemkinder« dazu bewog, ihren Nachwuchs auf diese Schule
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