Fuer immer du
Brauchbares fand. Aber diese Anna ließ mich nicht mehr los. Und als ich heute nach dem Vorfall mit den beiden Bauarbeitern nach Hause gekommen war, hatte das leere Haus ein noch bedrückenderes Gefühl in mir ausgelöst, als die Tage zuvor. Ich musste mich unbedingt von dem, was im Wald passiert war ablenken, also beschloss ich, etwas über Anna herauszufinden. War es nur Neugier, ihre Ähnlichkeit mit mir oder die Träume, ich wusste es nicht? Aber wenn ich herausfinden wollte, was mich mit ihr verband, musste ich erstmal herausfinden, wer Anna war.
Die Alte legte das Kleid auf dem Schreibtisch ab und rammte die Nadeln in den Stoff. Sie rutschte näher an den Tisch heran und begann , in einem Register zu blättern. »Wir haben ein wenig über das Gut. Stimmt es, dass es wieder bewohnt ist?«
Ich nickte nur. Ich war nicht in der richtigen Stimmung für Tratsch, außerdem musste ich in zwei Stunden fertig sein. Dann nämlich würde das Taxi mich wieder abholen, das mich eben hier abgesetzt hatte. Nach den Erlebnissen vom Vormittag hatte ich keinesfalls Lust gehabt, wieder allein die einsame Straße entlangzulaufen.
»Du bist neu hier, stimmt das?« Sie schielte über den Rand der Brille zu mir herauf. Da sie im Durchblättern innehielt und wartete, nahm ich an, dass sie eine Antwort wollte, also nickte ich wieder. »Wohnst du jetzt auf dem Gut?«
»Nein, zwei junge Männer.« Ich trat nervös von einem Fuß auf den anderen. Würde sie mir jetzt endlich sagen, wo ich fand, was ich suchte? Im Zeitlupentempo blätterte sie sich weiter durch die Karteikärtchen.
Endlich schob sie mir ein Kärtchen mit einer Reihe von Zahlen und Buchstaben zu. »Historisches Archiv. Das findest du ganz hinten. Dann der siebte Gang unter L. Das steht für Linden.« Sie tippte mit einem Finger auf zwei Zahlen. »Such auf den Buchrücken nach diesen Nummern. Ich suche zwischenzeitlich den Fichefilm heraus. Wir haben ein paar alte Zeitungsartikel auf Film. Die kannst du dir dann an einem der Monitore ansehen.«
Langsam schlich ich mich durch den scheinbar endlosen Hauptgang an unzähligen Regalen vorbei. Ich versuchte das beklemmende Gefühl, das auf mir lastete, zu ignorieren. Was sollte mir hier drin schon passieren? Ich war allein. Weit und breit nur Bücher. Muffige, zerlesene, alte Bücher. Doch obwohl ich versuchte mir einzureden, dass ich sicher war, bekam ich fast keine Luft. Die Regale rechts und links des Ganges wirkten groß und bedrohlich und schienen, mich fast erdrücken zu wollen. Ich schluckte schwer und beschleunigte meine Schritte, als ich auf einem Schild, das von der Decke herunterhing endlich »Historisches Archiv« las. Mit der Karteikarte in der Hand konzentrierte ich mich auf die Ziffern an den Seiten der Regale. »Sieben, endlich«, flüsterte ich und in der Stille klang selbst meine eigene Stimme so beängstigend, dass ich zusammenzuckte.
Ich zog ein Buch aus dem Regal, au f dem stand: »Marienkloster 1850-1953«. Ein Buch über das Kloster. Ich hatte nicht viel Hoffnung, etwas über das Gut darin zu finden, aber ich klemmte es mir trotzdem unter den Arm. Auf einem zweiten Buch stand: Geburten der Jahre 1765-1945. Ich blätterte es gleich an Ort und Stelle durch. Mit dem Finger fuhr ich über die Listen auf den letzten Seiten und fand schnell Annas Namen: Anna von Falkenberg, 14. September 1895. Mehr stand da nicht. Das einzige, das ich noch auf einen Blick herausfand war, das die Geburten in dem Jahr gerade eine Seite füllten.
Ich stellte das Buch zurück und nahm das andere mit nach vorne. Nach einer anderthalben Stunde hatte ich nicht viel g efunden. Nur, dass Anna nur achtzehn Jahre wurde (was ich mir mittlerweile auch schon selbst ausgerechnet hatte), ihr Vater hieß Friedhelm und ihre Mutter Elfriede. Über ihren Großvater hatte ich herausgefunden, dass er Otto hieß und eine Frau aus dem einfachen Volk geheiratet hatte. Annas Mutter war nicht viel älter als ihre Tochter geworden. Wie ich den Daten entnehmen konnte, starb sie am Tag der Geburt ihrer Tochter. Ich wusste aus dem Unterricht, dass das damals nicht selten war. Die Marienhöhe wurde 1743 erbaut und Annas Vater war der letzte Besitzer. Zumindest für den Zeitraum der Aufzeichnungen.
Das war nicht viel und nichts davon half mir zu erklären, warum ich von Anna träumte. Das Wörtchen Wiedergeburt schoss mir durch den Kopf und ich musste lachen, weil ich an solche Dinge nicht glaubte. Ein Lebewesen wurde geboren, lebte eine für ihn
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