Fuer immer du
meinen Zungenpiercing. »Ich habe noch nicht besonders viel Übung«, gestand ich.
»Trau dich einfach.«
Ich konzentrierte mich, starrte die kleine Tasche an und fixierte sie mit aller Kraft. Nichts geschah.
»Stell dir das Handy vor, wie es darin wartet.«
Ich machte, was die Direktorin gesagt hatte. Tränen stiegen vor Anstrengung in meine Augen, doch plötzlich konnte ich eine Art Verbindung zu dem Handy fühlen. Er war, als würde ich danach greifen. Als würde ich es in den Händen halten. Ich stellte mir vor, meine Hände aus der Tasche zu ziehen und mit ihnen das Telefon. Das Telefon rutschte aus der Tasche, schwebte einen Moment neben Sina, dann zog ich es an einer unsichtbaren Schnur zu mir herüber und ließ es direkt in die ausgestreckten Finger der Direktorin gleiten.
»Gut gemacht«, sagte die Dietrich zufrieden. »Wie wäre es mit Mittwochnachmittag nach dem Nachmittagsunterricht?«
»Zum Üben?«
»Genau.«
Ich wollte ihr sagen, dass ich schon einen Lehrer hatte, aber überlegte es mir anders. Vielleicht konnte ich von der Dietrich doch noch andere Dinge erfahren. Vielleicht den Namen einer anderen Person, die so ist wie ich? Wenn die Dietrich wirklich mehr wusste, dann war es möglich, dass Adrian mir einiges verschwieg. Ich nickte bestätigend. Die Dietrich lächelte und ging, ohne Sina Bescheid zu geben, dass sie nicht länger warten brauchte.
»Ihr kennt den Kreis mittlerweile schon.« Wir saßen wieder auf dem Boden der Sporthalle. Die Dietrich hatte kurzfristig beschlossen, alle Schülerinnen ihres Kurses aus den Klassen zu holen, um uns eine Extrastunde ihres spirituell angehauchten Unterrichts zu verpassen. »Heute werde ich euch zeigen, dass uns das Besondere überall umgibt. Ihr werdet staunen, wozu ihr fähig seid.«
Sie ging den Kreis ab, ihr schwarzer Umhang wehte dabei um ihre Beine. »Eine Kerze in jede Himmelsrichtung. Sie symbolisieren Feuer, Erde, Wasser und Luft. Die fünfte stellen wir in die Mitte. Sie steht für den Geist.« Sie ging zur Mitte zurück und platzierte eine Kerze zu ihren Füßen. Sarah meldete sich grinsend zu Wort.
»Ist das nicht Blasphemie?« Besonders gläubig kam mir Sarah nicht vor, aber es interessierte mich, was die Dietrich darauf antworten würde.
Die Dietrich lächelte geheimnisvoll. »Seid ihr nicht alle hier, weil ihr Rebellen seid? Weil ihr nach Ansicht eurer Eltern und der Gesellschaft da draußen nicht so tickt, wie man es sich wünscht?«
Die meisten der zwölf Mädchen nickten einstimmig. Ich enthielt mich, denn ich wusste, dass es auf dieser Welt Dinge gab, von denen meine Mitschülerinnen nichts wussten.
»Rebelliert mit mir. Ich verspreche, ihr werdet Spaß haben.«
Wieder nickten alle, aber in ihren Gesichtern stand Unsicherheit. Unsicherheit, die ich auch verspürte. Was plante die Dietrich? Was sollte das?
Die Direktorin ging wieder den Kreis ab, entzündete die Kerzen und rief nach Feuer, Wasser, Erde, Luft und Geist. »Jetzt ist der Kreis geschlossen. Wir haben gemeinsam einen Schutzkreis errichtet. Nichts kann diesen Kreis verlassen.«
Die Dietrich nahm die Fernbedienung für die Außenrollos der Sporthalle von dem kleinen Tisch, den sie in der Mitte des Kreises stehen hatte, der alle Utensilien enthielt, die sie für ihr Ritual benötigte. Sie ließ die Rollos herunter und die Halle wurde nur noch vom Licht der Kerzen beleuchtet. Sie hielt einen Kelch in den Händen, der dem aus meinem Traum ähnelte. Dann begann sie leise vor sich hin zu murmeln.
Plötzlich schossen die Flammen der Kerzen fast bis zur Decke hinauf. Gleißend helle, aber nicht heiße Feuersäulen. Erschrocken rückte ich von der Kerze ab, die vor dem Mädchen neben mir stand. Auch sie quiekte leise auf. Die Flammen schrumpften auf etwa einen Meter Höhe wieder zurück und flackerten sanft und fast hypnotisch weiter.
»Ihr habt die Geschichten über die Katholische Kirche alle schon gehört. Nicht immer haben sie im Namen Gottes nur Gutes getan. Und auch Gott hat viele Menschenleben genommen.« Die Kerzenflammen begannen zu zucken und warfen lange Schatten in den Kreis. Die Schatten verformten sich, wurden zu Schwertern, Pferden und Menschen. Schreie hallten von den Wänden wider. Zu den Menschen und Pferden kamen brennende Häuser.
»Ich möchte euch zeigen, wie gütig euer Gott ist.«
Meine Mitschülerinnen sahen sich erstaunt an, doch keine wich zurück oder verließ den Kreis und gab sich die Blöße, ihre Angst vor den anderen einzugestehen. Ich
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