Fuer immer Ella und Micha
sieht mich nicht voller Mitleid an, und darum mag ich sie. »War er bei dem Gespräch fies zu dir?«
Ich ringe nach Luft. »Ein bisschen, aber das liegt daran, dass er mir immer noch die Schuld an Moms Tod gibt, denke ich.«
Ihr Stift ist über dem Papier, schreibbereit. »Hast du mal mit ihm darüber geredet, wie es dir geht, wenn er dich verletzt?«
Ich schüttele den Kopf. »Nein, und das will ich auch nicht.«
Ihre Hand bewegt sich flink über das Papier, als sie etwas aufschreibt. »Was hast du nach dem Telefonat mit Dean gemacht, als du verletzt und wütend warst?«
»Ich war nicht wütend«, korrigiere ich. »Bloß traurig. Ich bin in mein Zimmer gegangen und habe mich für eine Weile ganz klein zusammengerollt. Doch ich habe mich selbst wieder rausgezogen.«
»Das ist gut.« Sie nimmt ihre Brille ab, rote Abdrücke auf ihrer Nase werden sichtbar. »Wann geht es los nach New York?«
Ich beuge den Kopf nach hinten und blicke zur Wanduhr über mir. »Ungefähr in vier, fünf Stunden.«
»Ist das okay für dich? Du wirst mit Micha allein sein.«
»Das geht schon«, versichere ich. »Ich weiß, dass Sie finden, ich sollte nicht mit ihm zusammen sein – und das bin ich auch nicht –, aber er ist immer noch mein Freund, und er braucht mich.«
»Ich habe dir nie gesagt, dass du nicht mit ihm zusammen sein sollst, Ella.« Der Regen wird stärker, verschleiert das Fenster, und Anna hebt die Stimme. »Ich habe dir geraten, die Dinge ruhig anzugehen, bis du dein Leben stabilisiert hast. Und Beziehungen sind gemeinhin nicht ruhig.«
Ich wickele eine Haarsträhne mit dem Finger auf. »Woran erkenne ich, wann ich bereit bin, wieder mit ihm zusammen zu sein?«
Sie lächelt mich aufmunternd an. »Das kannst nur du allein wissen, aber darf ich dir raten, bei jeder Beziehung, die du eingehst, in ganz kleinen Schritten voranzuschreiten, damit deine Gedanken Zeit haben, sich langsam anzupassen, und du erkennst, was real ist?«
Meine Gedanken rasen, als ich aufstehe und mir meine Tasche über die Schulter hänge. »Tja, ich sehe Sie dann wieder, wenn ich zurück bin.«
Sie begleitet mich zur Tür. »Pass auf dich auf, Ella, und denk dran, wenn du irgendwas brauchst, ruf mich an.«
Ich winke ihr zum Abschied und gehe hinaus in den Regen. Den kurzen Weg bis zur Wohnung renne ich, doch selbst so komme ich vollständig durchnässt zu Hause an.
Ethan und Micha sitzen auf der Wohnzimmercouch, als ich hereinkomme und die Tür zuknalle, um den Regen auszusperren. Sie sehen mich an und schaukeln sich sofort gegenseitig hoch.
Micha mustert meine Jeans und das T-Shirt, das an mir klebt, sowie die Wasserrinnsale, die mir übers Gesicht laufen. »Hattest du keine Jacke, die du überziehen konntest?«
Ich wringe mein Haar aus, was eine Schweinerei auf den Dielen am Eingang verursacht. »Nein, ich dachte nicht, dass es zu regnen anfängt.«
»Ach nein? Die tiefschwarzen Wolken haben dir rein gar nichts gesagt?«, fragt Ethan spöttisch und nimmt sich eine Handvoll Chips aus der Tüte auf dem Couchtisch.
»Normalerweise regnet es hier nicht.« Ich gehe zu meinem Zimmer und hinterlasse dabei eine Wasserspur auf dem Teppich. »Habe ich noch Zeit für eine Dusche, ehe wir losfahren?«
»Ja, hast du«, ruft Micha. »Vorausgesetzt es ist eine kurze Dusche.«
Ich schließe meine Zimmertür, ziehe die nassen Sachen aus und gehe ins Bad neben meinem Zimmer, dessen Tür ich einen Spalt offen lasse. Das warme Wasser lockert meine steifen Muskeln, und ich lasse es länger über mich hinwegströmen, als ich geplant hatte.
»Ella, lebst du noch?«, höre ich Michas Stimme über dem Wasserrauschen.
Ich wische mir Wasser aus den Augen. »Ja, ich wollte gerade rauskommen.«
Ich warte eine Minute, dass er geht, dann drehe ich das Wasser ab, ziehe den Vorhang zurück und steige aus der Dusche. Aber Micha ist nicht gegangen. Er lehnt am Waschtisch.
»Mist!« Hastig reiße ich den Duschvorhang vor mich. »Ich dachte, du bist weg.«
Er verschränkt die Arme und sieht mich mit diesem Raubtierblick an. »Ich wollte sicher sein, dass du aus der Dusche kommst. Wir müssen los.«
Ich greife nach einem Handtuch und wickele mich ein, bevor ich den Duschvorhang loslasse und aus der niedrigen Wanne steige. Sein Blick verfolgt mich, als ich in mein Zimmer gehe.
Nach kurzem Wühlen in meiner Kommode entscheide ich mich für ein grau-schwarz-gestreiftes Kapuzen-T-Shirt und eine Jeans. »Schon gut, gib mir eine Minute zum Anziehen, dann bin ich
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