Für immer, Emily (German Edition)
seinen Weg. Und es tat verdammt weh, Niclas so nahe zu sein und doch so fern. Schließlich hielt sie es nicht mehr aus. „Nic? Ich weiß, es klingt blöd, aber, na ja, wegen vorhin. Fandest du es schlimm? Ich wollte dich nicht bedrängen, wirklich nicht. Ich war nur froh, dass dir nichts passiert war. Es tut mir leid, bitte sei nicht sauer auf mich.“ Sie schwieg und sah ihn unglücklich an. So sollte das ganz sicher nicht ablaufen, wenn zwei Menschen sich zum ersten Mal küssten. Niclas drehte noch einen Moment an seinem Glas, und sie dachte schon, er würde ihr nicht antworten, als er endlich aufsah und sein Blick ihren suchte. Sie sah Kummer in seinen Augen, Schmerz, Ratlosigkeit, aber auch etwas, dass ihr Herz vor Glück stolpern ließ. Er sah sie an. „Ich bin nicht sauer auf dich. Und, nein, ich fand es nicht schlimm. Im Gegenteil, es war wunderschön. Ich weiß, du kannst das alles nicht verstehen, und ich mache es dir nicht gerade leicht.“ Er stellte das Glas auf den Tisch, stand auf und kniete sich vor Emilys Sessel. Dann fasste er zärtlich nach ihren Händen. „Sei nicht traurig, Emily. Du hast nichts falsch gemacht. Glaub mir, mir tut es nicht leid. Es tut mir nicht im Mindesten leid.“ Er richtete sich ein wenig auf, beugte sich vor und küsste sie unendlich sanft. Ihre Hände zitterten in seinen, als er leise flüsterte: „Emily. Meine süße Emily.“ Sie verharrten einen Moment still in dieser Haltung, dann stand Niclas abrupt auf. „Ich muss jetzt los. Bitte verzeih, aber ich habe noch ein paar Dinge zu erledigen. Ich hole dich morgen Abend dann ab.“
Emily war ebenfalls aufgestanden und sah ihn etwas verwirrt an. Er wollte jetzt gehen? Und doch nickte sie. „Sicher. Dann bis morgen. Ich freu mich.“ Sie lächelte ihm zu.
Er erwiderte ihr Lächeln, doch sie spürte deutlich, wie durcheinander er war.
„Ja, ich freue mich auch. Bis dann.“
Als Niclas gegangen war, saß Emily noch lange im Wohnzimmer und starrte vor sich hin. Einerseits war sie sehr glücklich über das, was er gerade gesagt hatte, andererseits ahnte sie, dass dieser Kuss in ihm etwas ausgelöst hatte, was er eventuell nicht verkraften würde. Wenn sie nur wüsste, was ihn quälte, warum er solche Angst vor seinen und auch vor ihren Gefühlen hatte. Sie liebte ihn aus tiefstem Herzen und wäre gerne für ihn da. Wenn jemand verstehen konnte, was es bedeutete, gegen seine Ängste kämpfen zu müssen, war sie es. Sie hatte auch Angst, aber die Liebe zu Niclas war soviel stärker als dieses dunkle Gefühl, das sie in den letzten Monaten ständig umklammert gehalten hatte. Er war der einzige Mensch auf dieser Welt, der in der Lage war, sie durch die Dunkelheit hinaus ins Licht zu führen. Und sie würde das gerne auch für ihn tun. Sie seufzte, stand auf und trat ans Fenster. Ihr Blick verlor sich in der Dunkelheit, während ihr Herz bei Niclas war ...
Es war spät und stockdunkel, doch Niclas fuhr dennoch zum Friedhof. Er konnte das Chaos in seinem Innersten kaum noch im Zaum halten und wusste nicht, was er tun sollte. Als Emily ihn vorhin geküsst hatte, waren die letzten Reste der Mauer, die er um sein Herz aufgebaut hatte, mit einem lauten Knall zusammengebrochen, und er wusste, wenn er sich diesen Gefühlen für sie jetzt hingab, war es zu spät. Dann gab es kein Zurück mehr. Und Gott, er wünschte sich sehr, sie zu halten, ihr zu sagen, was er empfand. Die Sehnsucht nach ihr brannte wie Feuer in ihm, er konnte seine Gedanken kaum noch kontrollieren. Er lief, so schnell als möglich, durch die Grabreihen und erreichte schließlich das Grab seiner Mutter. Dort stand er einen Moment lang reglos davor und ließ sich schließlich auf die Knie sinken. Er verbarg das Gesicht in den Händen und flüsterte: „Mom. Mom, was soll ich tun? Bitte, sag mir, was ich tun soll! Ich liebe Emily. Und ich würde sie gerne glücklich machen, aber“, ein trockenes Schluchzen schüttelte Niclas‘ Körper, „wie könnte ich das? Wie sollte ich jemanden glücklich machen können? Wie sollte ich selbst Glück empfinden dürfen, nachdem, was ich dir angetan habe?“ Er schwieg und setzte sich auf den Boden vor dem Grab. „Wenn ich es zulasse, dass Emily sich mir völlig öffnet und sich mir anvertraut, muss ich auch dazu stehen, dann gibt es kein Zurück mehr, verstehst du? Sie ist nicht so stark, sie hat etwas Entsetzliches erlebt, und ich habe solche Angst, ihr noch mehr wehzutun.“ Er strich mit der Hand durch die feuchte
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