Für immer, Emily (German Edition)
Emily fühlte diese schmerzliche Zerrissenheit, die ihn gerade umfangen hielt. Und für eine unendlich lange Sekunde glaubte sie, er würde sie von sich wegschieben, dann jedoch fuhren seine Hände in ihre Locken und er zog ihren Kopf näher zu sich hin. Sein Mund suchte ihren und er erwiderte ihren Kuss mit einer solch verzweifelten Intensität, dass Emilys Knie zu zittern begannen. Sie fühlte seine weichen, warmen Lippen auf ihren, fühlte seine Hände, seinen Körper, und plötzlich wusste sie, dass sie niemals mehr wieder aufhören konnte ihn zu lieben.
Sie wussten beide nicht, wie lange sie so dastanden. Sekunden schienen zu Ewigkeiten zu werden, und sogar der Straßenlärm um sie herum schien leiser geworden zu sein. Emily fühlte nur noch Niclas und Niclas nur noch Emily.
Irgendwann jedoch löste sie sich fast widerwillig von ihm und lehnte ihre Stirn an seine Schulter. Ihr Herz raste wie wahnsinnig in ihrer Brust, ihr Atem ging heftig und ihre Gefühle schlugen gerade dreifachen Salto. Oh Gott, was hatte sie getan? Sie hatte Niclas geküsst. Ohne Vorwarnung, einfach so. Ausgerechnet sie. Und dabei hatte sie selbst ihm doch gesagt, er solle sich Zeit mit allem lassen. Musste er sich jetzt nicht völlig überrumpelt fühlen? Er hatte den Kuss zwar erwidert, aber vielleicht hatte er ihr nur nicht wehtun wollen, indem er sie zurückwies. Widerstrebend hob sie den Kopf und sah ihn vorsichtig an. Seine Miene war schwer zu deuten. „Nic ... ich, es tut mir leid, ich weiß auch nicht ...“
Jetzt senkte er den Kopf und strich ihr sanft mit dem Daumen über die Lippen. „Schhhh, nicht. Dir muss nichts leid tun.“ Seine Stimme klang gepresst und seine Augen wirkten dunkler als sonst. Er beugte sich zu ihr herunter und hauchte noch einen ganz leichten Kuss auf ihre Lippen. „Lass uns nach Hause gehen“, murmelte er.
Sie liefen das erste Stück schweigend nebeneinander her, dann hielt Emily diese merkwürdige Stille nicht mehr aus. „Du warst bei mir zuhause und hast Mrs. Johnson getroffen?“
„Ja. Sie war draußen und hat mich gesehen. Sie fragte mich, ob ich zu dir wolle und hat mir erzählt, dass du bei ihr warst und dann völlig aufgelöst weggelaufen bist.“
Emily nickte, während sie Niclas bedrückt ansah. Er war auf Abstand zu ihr gegangen, hatte die Hände in die Taschen seiner Jeans gesteckt und hielt den Kopf gesenkt. „Ja, weißt du, ich hatte lange auf dich gewartet und immer wieder versucht, dich zu erreichen. Dann hat mir Mrs. Johnson von dem Unfall erzählt, dass ein Motorradfahrer darin verwickelt sei und man nicht wisse, ob er überlebt habe. Und da hatte ich plötzlich solche Angst, dass du das sein könntest. Verstehst du?“ Sie biss sich auf die Lippen und warf ihm einen unsicheren Blick zu.
Er nickte, sagte aber nichts. Dann blieb er jedoch plötzlich stehen. „Ja, ich verstehe. Besser, als du dir vorstellen kannst.“ Er zögerte einen Moment, doch dann legte er den Arm um ihre Schultern und zog sie an sich. So gingen sie langsam den Weg zu Emilys Haus zurück.
Den Rest des Abends taten beide so, als sei nichts Besonderes passiert. Sie aßen ihre Pizza und sahen sich den Film an. Die Stimmung zwischen ihnen war verkrampft, und sogar Ben spürte, dass etwas anders war als sonst, denn er lag nicht neben Niclas‘ Sessel, sondern hatte sich in eine Ecke des Zimmers verzogen.
Emily fühlte sich unendlich traurig und schuldbewusst. Sie hatte Niclas doch nicht verunsichern wollen, es war eine spontane Reaktion gewesen. Ihr Herz schmerzte, so sehr liebte sie diesen jungen Mann, der ganz offenbar um keinen Preis mit ihr über seine Gefühle reden wollte. Sie starrte auf den Bildschirm und fragte sich, wie sie es so lange hinbekommen hatte, sich selbst einzureden, dass sie für Niclas nur Freundschaft empfand, und vor allem, wie sie es sich einreden konnte, damit glücklich zu sein. Ihr Blick schweifte zu Niclas, der versunken sein Colaglas in der Hand hin und her drehte und mit den Gedanken weit weg zu sein schien. Was dachte er jetzt? Fühlte er ähnlich wie sie? War er verwirrt, unglücklich, traurig? Hatte er die gleichen Wünsche und Träume wie sie? War er wütend, weil sie ihn geküsst hatte? Am liebsten wäre sie aufgestanden, hätte sich neben ihn gesetzt und ihn fest in die Arme genommen. Die ganzen letzten Wochen war es ihr gelungen, die Sehnsucht nach ihm einigermaßen im Zaum zu halten, aber nun, da es nichts mehr zu leugnen gab, bahnte sich dieses Gefühl mit Macht
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