Für immer, Emily (German Edition)
Geheimnisse verraten.“
Sie zupfte etwas nervös an ihrer Haarsträhne. „Geheimnisse? Was sollte ich denn für Geheimnisse haben?“, fragte sie. Sie lachte, doch es hörte sich ziemlich gekünstelt an. „Wollen wir dann anfangen?“ Emily nestelte nervös an dem Rand ihres Shirts herum und wich Niclas` forschendem Blick aus.
Er stellte seine Tasse auf die Küchenablage und trat einen Schritt nach vorne, sodass er fast direkt vor ihr stand. Ein leichter Geruch nach einem herben Eau de Toilette drang in ihre Nase, und sie fühlte, wie sich die feinen Härchen an ihren Unterarmen aufrichteten, denn Niclas‘ Nähe war sehr verwirrend. Sie war beängstigend, aber andererseits auch wunderschön. Und im Moment wusste sie nicht, was sie mehr ängstigte, ihr schreckliches Erlebnis in der Vergangenheit, wegen dem sie kaum männliche Nähe ertragen konnte, oder ihre verwirrenden Empfindungen für Niclas. Sie war sich sicher gewesen, nie wieder auch nur den Hauch von Zuneigung zu einem Mann empfinden zu können, sich nie im Leben verlieben zu können. Alleine die Vorstellung, jemandem nahe sein zu müssen, löste normalerweise panische Abwehr in ihr aus. In den ersten Wochen nach dem Vorfall hatte sie regelrechte Hassgefühle für alles Männliche in ihrer Nähe empfunden. Sogar von ihrem Vater und Connor hatte sie sich zurückgezogen. Mit Hilfe einer sehr einfühlsamen Psychologin hatte sie es allerdings geschafft, diesen Hass zu überwinden. Was geblieben war, war Furcht und Schmerz. Und ein eigenartiges Gefühl von Einsamkeit, denn sie stellte sich oft vor, wie ihr weiteres Leben verlaufen würde. Sie würde es alleine verbringen, alleine verbringen müssen. So war sie hierher gekommen, mit dem einzigen Wunsch, dieser ewig brennende Schmerz in ihr würde nachlassen und es sollte wieder so etwas wie Normalität in ihrem Leben geben. Mehr hatte sie nicht erwartet und nicht gewollt.
Und nun war hier Niclas, und er brachte all ihre so mühsam tief im Herzen vergrabenen Wünsche und Träume wieder zum Vorschein. Sie wollte doch nur genauso sein wie alle anderen Mädchen in ihrem Alter. Und dieses Wissen, dass genau das niemals mehr wieder der Fall wäre, das tat schrecklich weh.
„Emily?“ Niclas‘ Stimme schien von weit weg zu kommen, und sie sah erschrocken hoch. Er sah sie halb amüsiert, halb besorgt an, und zum ersten Mal fiel ihr auf, dass winzig kleine, goldene Pünktchen in seiner Iris schimmerten. „Alles okay mit dir?“
Sie starrte ihn immer noch an, dann zog sie die Schultern hoch und drehte sich schnell weg. Gott, wie peinlich. Er musste sie allmählich wirklich für völlig verrückt halten.
„Ja, klar, alles in Ordnung. Entschuldige, ich musste grade dran denken, dass ... dass der Fernsehtechniker morgen vorbei kommt.“ Der Fernsehtechniker! Am liebsten hätte sie sich mit der flachen Hand an den Kopf geschlagen. Wie dumm war das denn? Wer würde schon mitten in einem Gespräch plötzlich völlig weggetreten an den Fernsehtechniker denken?
„Ich hole mal meine Tasche, warte kurz. Setz dich doch.“ Sie brachte es einfach nicht fertig, ihn jetzt anzusehen, da sie befürchtete, rot wie eine Tomate zu sein. Wie sollte sie nur die Zeit mit ihm überstehen, bis diese Arbeit beendet war? Sie würden noch einige Stunden damit zubringen müssen, und sie konnte ja jetzt schon ihre Gedanken nicht zusammenhalten.
Niclas sah Emily hinterher, die geradezu überstürzt aus der Küche stürmte, schüttelte den Kopf, zog einen Stuhl heran und setzte sich. Ben ließ sich zu seinen Füßen nieder, und er kraulte dem Hund zärtlich den Kopf. „Na, mein Junge? Du hast ein merkwürdiges Frauchen, wirklich. Was ist nur los mit ihr? Manchmal wirkt sie so verletzlich, dass ich mich kaum traue sie anzusehen, manchmal denke ich, jetzt verstehen wir uns besser, und dann wieder schnappt sie total ein und macht dicht wie eine Auster.“ Er schwieg kurz. „Na ja, aber ich fürchte, ich bin auch nicht viel besser. Sie macht mich völlig verrückt. Weißt du, ich hab noch niemals ein Mädchen wie sie gekannt, sie ist komplett anders als alle anderen, und ich fürchte, ich kann damit nicht wirklich gut umgehen“, murmelte er.
Ben hatte den Kopf gehoben und sah Niclas verständnisvoll an. Der sah dem Hund in die klugen, braunen Augen und kam sich plötzlich ziemlich dämlich vor. Jetzt war er schon soweit, dass er mit dem Hund über Emily redete. Es wurde wirklich höchste Zeit, dass er wieder zur Vernunft kam und damit
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