Für immer, Emily (German Edition)
er den Helm über, stieg auf, startete den Motor und gleich darauf war er aus ihrem Blickfeld verschwunden.
Sie zog die Schultern hoch und machte sich daran, den Tisch abzuräumen. Niclas‘ Glas war noch voll, er hatte keinen einzigen Schluck mehr getrunken. Warum nur war er so überstürzt aufgebrochen? Sie wurde aus diesem Jungen einfach nicht schlau. Er war zwar eher schweigsam gewesen heute Nachmittag, aber dennoch hatte sie das Gefühl gehabt, dass er sich wohl fühlte. Aber vermutlich hatte sie sich das nur eingebildet und er hatte die Minuten gezählt, bis er endlich gehen konnte.
Sie kippte das Mineralwasser in die Spüle und ließ den Nachmittag noch einmal Revue passieren. Ja, sie hatte geglaubt, dass Niclas sich wohl fühlen würde, aber erstaunlicherweise hatte sie selbst sich auch wohl gefühlt. Sie hatte nicht ein einziges Mal ein beklemmendes Gefühl verspürt, weil sie mit ihm alleine im Haus war. Im Gegenteil, es hatte sich gut angefühlt, ihn hier zu haben.
Sie sah Ben an. „Du magst Nic, hab ich Recht? Und, weißt du was? Ich mag ihn auch. Es stimmt nicht, was ich mir dauernd einzureden versuche, dass er mir egal ist und ich ihn nicht leiden kann.“ Sie wischte mit einem Tuch über die Arbeitsfläche des Schrankes, dann kniete sie sich vor Ben und kraulte seine Ohren. „Aber das spielt keine Rolle, ob ich ihn mag oder nicht, denn er scheint mich sowieso nicht besonders gut leiden zu können, und selbst wenn er es täte, würde ich mich niemals trauen, mehr in ihm zu sehen als einen guten Freund. Es spielt also keine Rolle.“ Ihre Stimme klang jetzt traurig, und Ben leckte ihr schnell über die Hand. Sie lächelte und drückte ihr Gesicht in sein weiches Fell.
In der Zwischenzeit hatte Niclas sein Elternhaus erreicht und die Maschine in der Garage geparkt. Der Wagen seines Vaters stand noch nicht da, was ihn allerdings nicht weiter verwunderte. Drinnen warf er den Rucksack in eine Ecke, hing die Jacke an die Garderobe und ging direkt in sein kleines Atelier. Er nannte es so, obwohl das vermutlich ein wenig übertrieben war. Dort griff er nach Zeichenblock und Bleistift und begann zu zeichnen. Er konnte gut zeichnen, was ihm beim Schnitzen sehr zugute kam, denn er malte alle seine Motive vorher auf, damit er nichts vergaß.
Und dieses Motiv mochte er jetzt schon sehr. Er würde ein Porträt von Ben zeichnen und es später schnitzen. Der Hund war bildschön, und er freute sich auf die Arbeit. Wenn es fertig war, könnte er es Emily zeigen, und er war schon gespannt, was sie dazu sagen würde.
Emily ... sie hatte sich sicher über seinen überstürzten Abgang vorhin gewundert. Aber er hatte plötzlich das Gefühl gehabt, es in ihrer Nähe nicht mehr auszuhalten. Sie löste die widersprüchlichsten Gedanken und Wünsche in ihm aus. Gedanken, mit denen er sich nicht auseinandersetzen wollte. Erinnerungen, die wehtaten, Gefühle, die wehtaten.
Er schüttelte heftig den Kopf und beugte sich tiefer über den Zeichenblock. Schluss jetzt! Vielleicht sollte er morgen ein Date mit Tracy Bell verabreden, sie wartete ja schon lange darauf, einmal mit ihm auszugehen, sie würde sicher nicht nein sagen. Oder mit Viola Meyers, die stand doch auch auf ihn und hatte immer diese rattenscharfen, kurzen Röcke an. Ja, das war eine gute Idee. Genau das würde er tun. Er zeichnete konzentriert weiter, und doch schob sich immer wieder Emilys Bild vor sein inneres Auge.
Irgendwann räumte er schließlich ziemlich entnervt seine Sachen zur Seite und ging in die Küche, um sich ein Sandwich zu schmieren. Damit ging er ins Wohnzimmer und schaute sich eine neue Folge seiner Lieblingsserie an, doch selbst die konnte ihn heute nicht fesseln.
Als er zu Bett ging, war es fast elf Uhr, aber sein Dad war immer noch nicht zuhause. Peter hatte ihm eine SMS geschickt und mitgeteilt, es würde spät werden.
Es dauerte lange, bis Niclas endlich einschlief. Er wälzte sich unruhig hin und her und seine Gedanken schweiften immer wieder zu Emily. Warum lebte sie alleine in diesem Haus? Wo war ihre Familie? Was für einen Grund gab es für eine Siebzehnjährige, alleine in eine fremde Stadt zu ziehen und das letzte Jahr der High School an einer neuen Schule zu absolvieren, wenn sie das doch auch zuhause hätte machen können?
Er hatte vorhin deutlich gesehen, dass sie nicht darüber reden wollte, deshalb hatte er auch nicht weiter nachgefragt, aber irgendetwas sagte ihm, dass der Grund, warum sie hierher gekommen war, ein
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