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Für immer in Honig

Für immer in Honig

Titel: Für immer in Honig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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gefunden, dessen ganzer Rücken fischigschuppig war (Schackos Großvater aus Burundi hätte ihn vielleicht als einen Mambu-Mutu identifizieren können, wie er im Tanganjika-See seit Menschengedenken sein Unwesen treibt).
    Ein Restaurant von gutem Ruf in Hüsingen erhielt vom Zulieferer drei Wochen lang verdorbenen Knoblauch. Nach dem zweiten Mal prüfte der Zuliefererbetriebsleiter persönlich die Kisten. Ihr Inhalt war in Ordnung, aber jedesmal, wenn das Zeug im Restaurant zum Kochen verwendet werden sollte, war es verdorben. Schließlich packte der Restaurantbesitzer, der eine siebenjährige Tochter hatte, die sich wegen unangenehmer Verhaltensauffälligkeiten – sie neigte dazu, Menschen zu beißen, am liebsten in die Hände – in kinderpsychiatrischer Behandlung befand, eine der Kisten außerhalb seines Restaurants auf dem Parkplatz aus und stellte fest: Der Knoblauch war natürlich in Ordnung.
    Kiste zu, Zeug rein in den Laden. Am nächsten Tag: Kiste auf, Knoblauch verdorben. Eine Woche später verschwand die Tochter spurlos. Von da an war der Knoblauch, der geliefert wurde, einwandfrei.
    Höfe im gesamten Umland hatten mit unvorhersehbar deutlich emporschnellenden Sterblichkeitsraten bei Vieh und Geflügel zu kämpfen. Die Viecher starben völlig grundlos, meist an Herzversagen, in jedem Stall, auf jeder Weide, jedem Gut waren’s dieselben 18-20 Prozent, »Eifach so« nannte man die Epidemie schließlich, wie in: »Beim Rümmele sin scho widr zwei Küh am Eifach so verräckt.«
    Leute in Adelhausen, Obereichsel, Dossenbach, Fahrnau und Hausen sahen, nicht nur in Vollmondnächten, an den absurdesten Orten – nahe Tankstellen, auf Brücken, hinter Bibliotheken, im Backraum von Backstuben, auf dem Speicher schöner Fachwerkhäuser, bei Ortsausfahrtsschildern – eine weinende Frau stehen, die sang, in Begleitung nie zuvor gesehener Tiere, die Zeugen als Wölfe und große Hunde beschrieben. Manche behaupteten, die Tiere seien aufrecht gegangen, und ein besonders unzuverlässiger Patron, ein geistig zurückgebliebener Malergeselle, der sich durchs Inhalieren der in seine fiese Schmiere eingerührten Chemikalien einen dauerhaften Dachschaden weggeholt hatte, gab gar an, ihn habe so ein Wolfsmensch nach dem Weg gefragt, auf alemannisch: »Weisch du, wo’s no Gündehuse goht?«
    Zwei Wochen vor dem Chalde Märt kam es frühmorgens um halb sieben in Wintertal zu einem schweren Verkehrsunfall, bei dem acht Jugendliche, verteilt auf drei Autos, aufeinander auffuhren. Fünf Passagiere wurden getötet. Der einzige bereits drei Tage nach dem Unglück Vernehmungsfähige unter den Unfallopfern berichtete, der neben ihm sitzende Fahrer des ersten der drei Wagen habe die Kontrolle über sein Fahrzeug verloren, weil ein halbes Dutzend Reiter in hellgrünen Uniformen, mit Gewehren auf dem Rücken und haubenartigen Helmen auf dem Kopf, über die Fahrbahn geprescht sei.
    Niemand nahm die Geschichte ernst, und niemand identifizierte darum die Reiter anhand der eigentlich doch sehr genauen Beschreibung als Angehörige eines Linienregiments der württembergischen Ulanen aus dem Ersten Weltkrieg. Es waren Tote, die der Dokter, ein begabter Nekromant, für den Bürgermeister zum Leben erweckt hatte, als eine Art Prolog zum Künftigen und sehr Großen, Soldaten, die in dieser Nacht drei wolfsgestaltige Angehörige der W südöstlich von Maulburg im Wald zu Tode gehetzt und erschossen hatten.
    Der Bürgermeister war recht emsig dieser Tage.
    Manchmal lud er Rainer Utzer und die Seinen in sein schönes Haus ein, dessen Holzbalken, die ein nicht unebenes Gemäuer aus dicken Steinen umfassten, längst morsch hätten sein müssen. Sie waren es aus denselben Gründen nicht, aus denen ihr Besitzer lebte und noch lange weiterleben würde.
    Rechts neben seiner Butzenscheiben-Fensterreihe, vorn, zur staubigen Straße hin, die nicht asphaltiert war – der Bürgermeister lebte am Waldrand im Südosten –, direkt neben der dicken Eichentür, war ein Schild in die Mauer eingelassen, das seine Verdienste aufl istete, weil er nicht erst drauf warten wollte, bis er starb, bis so ein Schild an dieser Stelle hing.
    »Daß wir hier gut genug leben«, scherzte Utzer eines Nachmittags am offenen Kamin des Bürgermeisters, »daß diese Stadt geeignet ist, den Toten ein Tor abzugeben, zurück in die Welt – eins von vielen, aber nicht das übelste –, erkennen wir eben daran, daß Sie, lieber Herr Bürgermeister, so ein Schild durchsetzen können, zu

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