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Für immer in Honig

Für immer in Honig

Titel: Für immer in Honig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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die Musikantin, das ist der Teufel mit Brüsten! Er und die Seinen hatten einen Spruch, Sarahs Leute zu bannen: Ich bekreuzige dich, Hexe oder Hexer, Belandante, Malandante, auf daß du weder etwas sagen noch tun darfst, bevor du nicht die Flachsbündel, die Dornen des Schlehdorns, die Wellen des Meeres gezählt hast, auf daß du weder etwas sagen noch tun darfst, weder von dir noch von einem christlich Getauften!
    Dieser Bann war inzwischen verblaßt, die Eisen und der Hexen hammer gehörten ins Gruselmuseum, worum es inzwischen ging, war wichtiger als die vorübergehenden Gemeinheiten, die Verrückte anderen Verrückten und den wenigen Nichtverrückten antun konnten: um die Vorfahren, um die Menschen und die W, um alle, die einander lieben sollten und alle, die ihnen dabei helfen konnten.
    Schau mal an die Wand da: Wer ist wohl diese Svenja? Ach interessant, die Wiedergeburt eines Studentenprotestanführers namens Hans-Jürgen Krahl also, und die wohnt also irgendwo versteckt im Süddeutschen, wird für tot gehalten und gehört zu den W. Nichts ist, was es scheint, vieles kann immer auch was ganz anderes sein. Christinas rechte Arschbacke zum Beispiel ist manchmal eine Melone, Sarahs Nasenspitze eine kühle Hundezunge, die Rosenkreuzer waren in anderer als der gewohnten Perspektive nicht Mystiker, sondern Vorboten der Aufklärung, Sarahs Wasser schmeckt nach Martini mit Johannisbeere, die Beziehungen zwischen den Menschen gehorchen komplizierten algebraischen Strukturen, die als wiederholte Kategorisierungen der natürlichen und ganzen Zahlen geschrieben werden können, auf jedem Stöhnen und Singen von Christina sitzt ein Lichtlein, das brennt wie Pyrit, und in den Eiern hübscher junger Männer lebt ein harmlos interessantes Feuer, das diese jungen hübschen Männer manchmal zu ihrem Schaden überschätzen.
    Nach einer Reihe von appetitlich gewürzten Zeitaltern im Fleisch des Heiligen fiel Torsten zur Seite, auf das weiße Fell neben der riesigen Bettstatt.
    Neben seinem in Süße schnell um Jahre gealterten Kopf, aus der Box, sang Kathleen Hannah von Le Tigre ein paar grundwahre Verse, die Cordula Späth erst vor kurzem für ein Stück über den 11. September 2001 gesampelt hatte, weil sie aus der verwehten Unschuld des Jahres 1999 heraus verrieten, was man nach dem Anschlag aufs World Trade Center als New Yorker, im übertragenen Sinne des abstrakten New-Yorker-Seins, also überhaupt als beliebiger Mensch beliebiger westlicher Herkunft, nicht mehr wissen und sagen wollen durfte:
    Oh Fuck
Giuliani
He’s such
A fucking jerk
    Von der Musik übertönt, kicherten die Schnäbelnden auf der Matratze miteinander.
    Sarah sagte: »Schon verrückt: New York. Ein dreiviertel Jahr lang mußte jeder glauben, staatlich von der BILD -Zeitung angeordnet – ob’s ein armer Robert Rolf in der Redaktion war oder ein braver Philip Klatt im Lehrerzimmer –, daß die neueste Strukturkrise der Kapitalverwertung nur vom Bin Laden und seinem gehörnten Turban herrührt. Und jetzt redet keiner mehr davon, die extreme Störanfälligkeit von, ha ha, Wirtschaft durch Knallfrösche, die kleinen schmierigen Mythen …«
    »… die verkehrte Welt …«
    »Yeah. Das ist es natürlich. Die fuckin’ verkehrte Jerk-Welt. Fuck.«
    Eine ihn unbestimmt umbrandende Weile genoß Torsten seine Erschöpfung, das niedergeboxt flach atmende Daliegen, als wäre er aus Erde. Er kannte beide Seiten jetzt. Was in ihm krabbelte und sich kräuselte, kam ihm vor, als könnte er es lutschen: irgendwelche leckeren Mineralsalze und sich mit diesen vollziehende chemisch-elektrische Prozesse von größter Schmackhaftigkeit.
    Die Musik nahm seinen Herzschlag auf wie warmer, nachgiebiger Teig ein Würstchen im Schlafrock, den ganzen lebhaften Rest der Le Tigre-Platte lang, bis das letzte Lied für »Les and Ray« zu Ende war. Dann öffnete er die Augen, ein Schmetterling, der die Flügel auseinanderfaltet, um gleich loszuflattern.
    Sarah hatte ihn auf die Stirn geküßt: »So, Boy-Toy: Wir gehen nach nebenan, Christinchen und ich, duschen. Willst du mitkommen?«
    Verschämt und glücklich lächelte er bloß zur Antwort, Andeutung von Kopfschütteln: Laß mal, vielleicht ja später. Sarah nickte und verschwand an Christinas Hand.
    Eine braune Cleopatra-Elfe aus dem, wie sagt man, Morgenland, und eine pummelige irische, ich muß echt herb besoffen sein: Torsten Herb, Torsten Herber, Torsten Herbst. Er lachte.
    Langsam richtete sich der nackte Junge danach auf

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