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Für immer in Honig

Für immer in Honig

Titel: Für immer in Honig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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›Faschismus‹. Jede Kunst war damit praktischerweise auch mitverleumdet, geduldet wurde bloß so ein gefühliges, zusammengesunkenes weißes liberales trauriges Aua-Aua, ob als Buch, Film oder Musik war dann im einzelnen weniger wichtig.«
    Ein enormes Weiß sah man jetzt oben: Riesige, bauchige, hirnlos glückliche Wolken schoben sich übern Dachfirst ins Azurne. Valerie streckte sich katzencool. Andreas bekam eine Gänsehaut, und fragte sich, wann die drei französischen Jungs wieder da waren, von ihrem Skitrip: Er wollte in die Sauna, und dann, na, mal sehen.
    Vielleicht sollte man das alles, was Cordula da schimpfte, ins Buch A mit rein nehmen, es bot ja immerhin Gelegenheit, wieder mal einen Absatz mit seiner Lieblingsstelle von F. Scott Fitzgerald zu eröffnen – diesen Dichter hatte er durch Jeanne kennengelernt –, zwei Supersätze waren das:
    »I see I am starting wrong. Let me begin again.«
    4  Irgendwann gehörte es dann richtig zu seinem Leben, als Hintergrundmusik, Hillarys ansteckendes pferdiges Gelächter. Am Rande von Konferenzen, bei denen Andy als Cordulas Privatsekretär dabeisein durfte, in Camp David vor allem, aber auch in Europa, in Afrika, in Australien: Leicht irre war dies Lachen im Grunde, fiel ihm schließlich auf, ziemlich überdreht jedenfalls, und gerade deshalb sympathisch.
    »Are you enjoying your stay, young man?«
    Ihr Gatte war grad in Israel. Sie standen einen Augenblick lang allein auf der Veranda, du lieber Himmel, die redet wirklich mit mir, persönlich, Andy wurde fast schwindlig. Cordula hatte irgendein Meeting mit Geldleuten im Nebenzimmer. Die Präsidentin sah einsam aus.
    Danach, in der Limousine, fragte die Chefin: »Und, gefällt sie dir?«
    »Spinnst du?« zuckte Andy zusammen, »die Frau ist … könnte meine Mutter oder … meine Oma sein. Ja, wahrscheinlich eher meine Oma.«
    Cordula öffnete eine Flasche Schampus – teurer französischer Champagner war das eigentlich, aber die Art, wie sie den Korken rauszog und die Flasche an den Mund setzte, suggerierte einfach ein grobes Wort wie »Schampus« – und lachte, dann sagte sie: »Geboren am 26. Oktober 1947, mein Lieber. Also, so uralt ist sie wirklich noch nicht. Gerade knapp über sechzig, no big deal. Und diese neue flotte Kurzhaarfrisur, und die geile Stimme – also, ich würd’ sie nehmen.«
    Fehlt nur noch, dachte Andy vergrätzt, daß die Chefin rülpste.
    »Wie war deine Geldverhandlung?« versuchte er, das Thema zu wechseln, und war selbst überrascht, daß ihm das Manöver tatsächlich gelang – Cordula zog eine Schnute, kippte lässig zur Seite, streckte sich auf dem weinroten Leder aus in ihrer weiten, mit vage muslimischen Silberornamenten bestickten weißen Tunika, hob die Flasche hoch und rief: »Yeah, aufs Scheißgeld! Kreuzergeld, Sagaigeld, Waffengeld, Drogengeld, Bankengeld … Hoch! Die glauben, sie kaufen uns, diese Schweine. Aber Lenin hat auch vom Kaiser Geld genommen, so what. Ich bin bloß froh, wenn das Taktieren zu Ende ist. Jetzt wollten sie mir doch tatsächlich erzählen, wir müßten Sachspenden annehmen – weißt du, Waffen, die sie anders nicht loswerden und so was, Flugzeugschrott, Transportschiffe, Container, Computer. Ich hab’ gesagt: Bares, Herrschaften! Wir sind doch nicht die Taliban, wir sind doch nicht die Al Kaida, wir sind …«
    »Was sind wir?« fragte Andy, rechtschaffen kaputt.
    »Wenn ich das wüßte«, murmelte Cordula mehr in die Flasche als an Andy gerichtet, »wenn ich das mal bloß wüßte, mein armer Junge.«
    5  Was waren sie also? Heldinnen und Helden.
    In ihren Werken erhoben sie sich über die eigene Unsicherheit und besiegten die Unzuverlässigkeit ihres an stabilere Zustände gewöhnten, trägen, aus Heimweh und Wut zusammengekochten Empfindens. Wenn es wen zu retten gab, wenn wo gekämpft werden mußte, das hat sie immer »galvanisiert«: ein Lieblingswort Cordulas in jener Zeit. Ausruhen konnte man sich dann später, nach den Heldentaten, jeweils da, wo die Toten nicht hinkonnten: in den Bergen, an abgeriegelten Küsten.
    Die NATO -West unter Reuland schützte vor allem die französischen Enklaven der Reichen, »wo übrigens nicht nur der Klassenfeind seine Tradition pflegen könnte, nicht nur diese Fitzgerald-Welt existiert hat, über die du so gerne liest, Andy, nein: Hier hat auch Walter Benjamin Urlaub gemacht«, belehrte ihn die Chefin.
    »Echt?«
    »Klar, hier draußen gab es einen … na, einen lustigen Kunsthandwerk-Utopismus,

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