Für immer in Honig

zähnebleckend und, man konnte es nicht anders sagen, wiehernd loslachte, es war zum Staunen, irgendwie zum Freuen.
    Das Herz dieser imponierenden Frau wollte Cordula wahrscheinlich vor allem deshalb gewinnen, weil sie wußte, daß sie dazu erst mal ihr Hirn überzeugen mußte. Na wie finde ich denn das, fragte sich Andy lächelnd. Er überlegte kurz, dann wußte er, wie er das fand.
    Sexy.
    2  Andys kleines politisch-poetisches Geheimnis war womöglich keiner Rede wert, aber doch wenigstens etwas Eigenes, Neues.
    Um sich nämlich nicht noch weiter zu entgleiten, in all dem Luxus und Risiko, dem Sex und der Gefahr, hatte Andreas Witter eines Morgens, im Zeppelin, neben Jeanne auf dem Bauch liegend, beim Ausblick auf die marsrote Wüste von Nevada, bei sich beschlossen, seine Besorgnisse betreffend die W, seine Beobachtungen, sein kognitives Zittern angesichts der klapperschlangenhaften, lauernden Qualität dieser ganzen Gegenwart sowie schließlich alles, was er all den Mächtigen in seiner Umgebung an tatsächlichen Informationen darüber entlocken konnte, wie es überhaupt so weit gekommen war, schriftlich festzuhalten.
    Der Mann mit der Gefrierbrandverletzung auf der Brust wußte das noch nicht, als über der höllisch schönen Ebene die Sonne aufging, aber der Plan, den er gefaßt hatte, verpflichtete ihn, der erste politische Schriftsteller seiner gefährlichen Welt zu werden.
    Was er sich selber dazu dachte, war einfacher als dies, aber nicht weniger gefährlich: Um die Revolution zu vollbringen, kann es nötig sein, eine Weile ernsthaft und unglamourös zu arbeiten, an Manuskripten womöglich.
    3  Schreien und Schnattern, lästerlicher Humor:
    If chicken little tells you that the sky is falling
Even if it wasn’t would you still come crawling back again?
I bet you would my friend
Again and again and again and again …
    Rockmusik aus Lautsprechern oben an Totempfählen aus Beton lockerte die Lawinen an den Hängen. Die Soldaten hatten nichts dagegen, Touristen gab’s nur noch in einem Alter, das Rockmusik anziehend statt störend fand, besonders einen so gesetzten Käse wie Aerosmith. Auf einer Terrasse in Gstaad, von der aus man auf die Sperren, Zäune und Posten hinuntersehen konnte, die diese Luxusklippe gegen unwillkommene untote Freßgier verteidigten, saß Cordula Späth, deren weißes Haar, seidig und glattgebürstet, über die Schulter wie fließendes Wasser auf die Brust hinunterfiel.
    Gut, daß sie’s wieder hat wachsen lassen, fand Valerie.
    Auf der Nase der Chefin leuchtete neongrünes Sonnenschutzmittel, die Augen, hinter verspiegelten Gläsern, sahen kilometerweit alles. Cordula erklärte ihren liebsten Zöglingen, W Valerie und Andreas Witter, das dicke Woher und Wieso: »Eine statisch gesehen völlig lächerliche Balance ist das immer gewesen, diese verkehrte Welt, aus der wir kommen.«
    »Balance?« frage Valerie, sexuell übersättigt, mit glänzenden Lippen, wie eine fette Katze nach einem Lasagne-Festmahl, träge frech. Sie saugte schnorchelnd am Strohhalm in ihrem Milkshake und blinzelte.
    »Zwischen gefährlichen Dummköpfen, planlosen Machthabern und den jämmerlichen kritisch-linken Klageweibern, die diese ganze faule Gesellschaft auf jeder Funktionsebene zusammenhielten mit ihrem abschreckenden Beispiel – die waren den Machthabern nützlich, ganz klar, weil niemand Vernünftiges oppositionell sein wollte, solange das die Opposition war.«
    Andreas beschloß, weil Valerie gähnte, für Cordula Squashwand zu spielen: »Gefährliche Dummköpfe? Planlose Machthaber? Kritisch linke Klageweiber?«
    »Gefährliche Dummköpfe! Fangen wir damit an«, rief Cordula, stand auf, faßte sich an den Hintern – »Was wird das, Boogiestunde?« lachte Valerie, aber es war bloß Cordulas wurschtige Art, ihre Krokoledergeldbörse aus der hautengen schwarzen Jeans zu ziehen. Sie klatschte das Mäppchen auf den kalten Glastisch, setzte sich wieder in ihren bequemen Korbstuhl und klappte den Geldbeutel auf. Andreas bemerkte im Sichtfenster das Bild einer schönen Frau: barocke kastanienbraune Haarpracht, tiefe, große, dunkle Augen, viele Sommersprossen, knallroter Mund.
    Aber nicht dieses Bild zog Cordula raus, sondern ein kleines weißblaues Billett, das sie Andy reichte. Valerie lehnte sich mit geschlossenen Augen, konzentriert an ihrem Getränk nuckelnd, langsam zurück und wartete auf den Sonnenbrand. Andy nahm das kleine Papier in die Hand. Es stammte aus der Zeit vor dem Totentanz, soviel