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Für immer in Honig

Für immer in Honig

Titel: Für immer in Honig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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Leuten gedacht.
    »Kunstbuchlektorin. Fröhliche Weihnachten«, murmelte Freddy entzückt. Mit »fröhliche Weihnachten« meinte er indes nicht die Pistole, sondern das, was daneben, in kleine Fächer gedrückt, hinter Kunstfaserriemen gespannt, in Klarsichthüllen eingelegt war: altes, wie mit Kaffee angebräuntes Papier mit griechischem Text drauf, Fotos eines amerikanischen Ex-Präsidenten und seiner Frau, Bilder von Männern mit dunklen Gesichtern und arabisch anmutenden Kopfbedeckungen, die auf Kissen saßen, an einem langen Tisch mit kurzen Beinen. Mehrere spielkartengroße, laminierte Plastikkarten mit Diagrammen drauf, die zwar einfach aussahen, aber nichts ähnelten, was Freddy kannte:

    In einem weiteren aus dem Schaumstoff gesägten Fach lagen zwei Mondsteine und ein breiter Marsyas-Dolch, in dessen flammenförmig gebogene Klinge die Zeile gekerbt war:
    IdA : A r A
    Womit Freddy, der von Identitätspfeilen in der Kategorientheorie zeit lebens nie etwas gehört hatte, noch weniger anfangen konnte als mit den Mondsteinen, dem Präsidentenbild, den Nomaden im Harem und der Pistole. Außerdem zu besichtigen gab’s ein schmales Plastikröhrchen, in dem zwei zwanzigseitige Würfel aus Elfenbein lagen, und eine Menge CD s, immerhin in normalen transparenten CD -Plastikhüllen, auf denen in schwarzer Eddingschrift Zeug wie: »20-6a«, »20-6b« und »20-6c« stand. Freddy ertappte sich bei dem Gedanken, daß er sich weniger gewundert hätte, wenn »11. 9.« draufgestanden wäre und statt der symbolbekritzelten Zauberpapyri ein Koran im Köfferchen verstaut gelegen hätte.
    Hätte Freddy viel mehr Zeit gehabt und außerdem Zugang zu einem leistungsstarken Rechner, der die nötige Software geladen hatte, wäre er beim Angucken der Dateien auf den CD s von einem Staunen ins andere gekippt, denn was Baupläne eines Casinos im St. Croix Meadows Greyhound Racing Park von Hudson, Wisconsin, Aufstellungen über 60 Millionen $ »in Sachen McDougal« aus den achtziger Jahren, Militärbasen-Satellitenphotos von Einrichtungen in Haiti und Indonesien, eine lange Namensliste unter der Überschrift »Bolivien / Weltbank« und Flash-Animationen, in denen sich die zweidimensionale Repräsentation eines schlauchförmigen Etwas, das wie der aus Knetmasse nachgebildete Buchstabe »W« aussah, auf bizarre Arten verformte, miteinander zu tun hatten – das rauszukriegen reichte die allerfaustischste Phantasie nicht hin. So etwas wußte man entweder, wie Beate, oder nicht, wie Freddy.
    Noch was? Ah, hier: die Holzschachtel mit den kupfernen Scharnieren.
    »Bestimmt auch wieder was total Okkultes«, flüsterte Freddy, und befand sich im Irrtum: Das war bloß ein Munitionskästchen, passend zur Pistole.
    Und wo bleiben die Sternenperlen, der Froschlaich aus der Urzeit, die Schwefelbrühwürfel und getrockneten Salamanderaugen, das Hexenkraut, der Eispickel?
    »Harry Potter heißt jetzt 007, sonst ändert sich nix. Das ­Un­be­schreib­li­che, hier ist’s verstaut«, faßte Freddy seinen Eindruck zusammen.
    Er schloß den Koffer so leise wie möglich, als fürchtete er, einen nebenan friedlich im Lehnstuhl eingeschlafenen Teufel zu wecken. Nicht nachdenken, nicht zu begreifen versuchen, ermahnte er sich, dafür ist später Zeit, jetzt erst mal Dosen und Schachteln zurück, jedes Teil an seinen Platz. Im selben Moment hörte er, wie sich an der Wohnungstür der Schlüssel im Schloß drehte.
    Erst dachte er: Au Scheiße, sie war doch schneller, als ich dachte.
    Dann fiel ihm ein: Moment mal, ich habe ihr den Schlüssel ja gar nicht gegeben – ich wollte, daß sie läuten muß, damit sie mich nicht überraschen kann, und der Vorwand dazu war erst noch so hübsch gewesen, Schatz, ich will Zigaretten holen und bin sicher schneller wieder da als du, ich kann dir ja dann aufmachen.
    Als die Tür geöffnet wurde und jemand ziemlich leise eintrat, auf minimal quietschenden Sohlen, bekam Fred Jochen Schörs ein ganz mieses Gefühl.
    »Hallo. Mein Name ist Ianthe. Deine Freundin hat meinen Bruder erschossen und jetzt stirbst du.«
    Dann trat ihm die Feindin ins Gesicht und er zerdepperte mit dem Schädel den vorderen Rahmen der Kommode »Vestby« von Ikea.
    Es klingelte.
    Ah, dachte Freddy, während sein Kinn sehr warm wurde und feucht, das wird Beate mit dem Essen sein. Wo hab’ ich denn mein Lätzchen? Batsch.
    Diesmal gab’s was gegen die Schulter, auch nicht schön. Dann packte ihn die Frau (sieht südländisch aus, pechschwarzes Haar,

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