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Für immer in Honig

Für immer in Honig

Titel: Für immer in Honig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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daß es ein Reflex gewesen war, daß Beate damals irgendwas mitgekriegt hatte, etwas, das seinen stumpferen, eben bloß normalsterblichen Sinnen verborgen geblieben war.
    Drei Sekunden lang nur, aber doch lang genug, um ihm ihr anderes Ich zu zeigen.
    Quatsch? Schwärmerei? Übertriebene Faszination des Pantheresken? Schon.
    Andererseits.
    Es gab etwas an Beate, das gefährlich war, verstrickt in vielstrahlige Dunkelheiten. Als sie endlich eingewilligt hatte, mit ihm zusammenzuziehen, war genau das eine aufregende Aussicht gewesen: Jetzt würde er entdecken, was mit dieser angeblichen Kunstbuchlektorin wirklich los war. Denn so redeten Kunstbuchlektoren seiner zugegebenermaßen beschränkten Erfahrung nämlich einfach nicht: »Ich habe Muskeln in meinem Körper, Freddy, von denen hast du noch nie gehört. Ich kann dich zusammendrücken, bis du sprudelst wie warmer Champagner.«
    Und stimmen tat’s auch noch. Zu geschmeidig, zu stark, zu flink, zu aufmerksam, zu spitz, zu lebendig für eine … von uns. Eine, die bloß so war wie wir alle.
    Und dann, vorgestern, dieses Handygespräch, von dem er, früher als geplant nach Hause zurückgekehrt, leider nur den Schluß mitbekommen hatte, und natürlich auch nur Beates Hälfte – irgendwas über Sachen, von denen sie besorgt gefragt hatte, ob sie die abholen sollte, und dann ein paar Beleidigungen und abgehackte Formalien, vor allem aber: ein ganz anderer Tonfall als der helle, heitere, den sie sonst, speziell ihm gegenüber, als ihren natürlichen ausgab. Hier war was kalt Geschäftsmäßiges hörbar geworden, eine Börsenmaklerin und aber auch Soldatin. Deshalb kniete er jetzt hier, im gemeinsamen Wohnzimmer, und sah gehetzt auf seine Armbanduhr: Lange dürfte Beate wohl nicht mehr weg sein. Er hatte sie, nicht richtig clever, zum Pizzaholen geschickt, es sollte ein netter Abend mit neuen DVD s werden, Freitag halt, danach ein bißchen wühlen und spielen. Davor aber, Tagesordnungspunkt Alpha: die Demaskierung der brandgefährlichen Beate Eich.
    Im Ernst: Es stimmte so vieles nicht an ihrem, Freddy suchte ein Wort dafür, dann fiel es ihm ein, danke, liebe Belesenheit: »Gebaren.« Irgendeine Spur in der Wohnung mußte es geben.
    Freddy dachte an den Duft von Anständigkeit und Herzensreinheit, den Faust, nachdem ihn Mephisto in Gretchens Stube geschmuggelt hat, dort aufsaugt wie Löschpapier die Tinte: »Wie atmet rings Gefühl der Stille, / der Ordnung, der Zufriedenheit! / In dieser Armut welche Fülle! / In diesem Kerker welche Seligkeit!«
    Freddy schnalzte mit der Zunge und schob den Fernsehkasten samt Fernseher wieder an seinen Platz vor der Wand zurück.
    Goethezitate im armen Althirn. Jetzt isses soweit. Was bin ich doch für ein beschemselter Buchhändlertrottel. Er sah sein farbarmes Spiegelbild, perspektivisch durch die Wölbung des kühlgrauen Schirms verzerrt, verschämt grinsen. Ladies and Paranoiacs: Freddy Jochen Schörs, Gigolo in schwarzer Jeans und blütenweißem Unterhemd mit kurzen Ärmeln, die seine muskulösen Oberarme heute wieder besonders deutlich zur Geltung bringen.
    Sieht nach Halbwelt aus, dachte er, und strich sich über die gegelten schwarzen Haare.
    Freddy war nicht nur eitel, lustiger: Er war eitel, wußte es und war es gern , weil erstens der Kontrast zum inneren Faustzitierer ihn davor schützte, völlig durchzudrehen, und weil zweitens Beate das mochte.
    Aussehen wie ein kleiner Dealer oder Stricher, das mußte man erst mal können, wenn man beides gar nicht war. Er drückte die Knie durch, schnellte in die Höhe, klopfte sich die Brust mit beiden flachen Händen ab, als wär’ sie eine Trommel. »So, Freddy, einerseits, andererseits, und jetzt?« fragte er das leere Zimmer.
    Wo hab’ ich noch nicht nachgesehen? Unterm Bett war natürlich mein erster Fehlschlag, am alleralbernsten, naheliegendsten Ort. Gar nichts. Unterwäschefächer, Kleiderschrank im Schlafzimmer. Fehlanzeige.
    Besenkammer, Beas große Koffer: nichts, alle ließen sich öffnen und waren leer. Bücherregal: nicht hinter der Konzeptkunst aus den Sechzigern, nicht im großen Dalí, der im übrigen ebensowenig hohl war wie der noch fettere Michelangelo. Nicht in ihrem Schreibtisch, nicht im Schrank, der drauf hockte, die Fächer und Laden nicht mal abge schlossen, alle Schlüssel steckten unbenutzt, überall bloß lahme Unterlagen: Mietvertrag, Reisepaß, Rechnungen, Quittungen.
    Schneller. Druckerpapier Radiergummi Disketten brennbare CD s Druckerpatronen Schere

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